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DOI: 10.1055/s-2005-863419
Wie schätzen Eltern die körperliche bzw. charakterliche Ähnlichkeit von Kindern ein, die mittels heterologer Insemination gezeugt wurden? – Ein möglicher Weg zur Reduktion der kognitiven Dissonanz
Hintergrund: Die Entwicklung von Kindern gezeugt mittels heterologer Insemination ist in vielen Studien untersucht worden. Die meisten Untersuchungen zeigen eine unauffällige kognitive und emotionale Entwicklung dieser Kinder (Golombok et al., 2002). Jedoch ist bislang wenig zu den elterlichen Adaptionsprozessen bekannt, die es möglich machen, die „negativen“ Gefühle gegenüber dem genetisch teilweise „fremden“ Kind zu bewältigen.
Methode: 20 Paare, die Kinder mittels heterologer Insemination gezeugt hatten, wurden verglichen mit 23 Paaren, die auf natürliche Weise empfangen hatten. Alle 43 Paare hatten nur ein Kind im Alter von 4 oder 5 Jahren. Die Geschlechterverteilung der Kinder war in beiden Gruppen vergleichbar. Alle Eltern sollten ihre Kinder einschätzen anhand der Frage, wem von beiden Elternteilen die Kinder hinsichtlich a) körperlicher Merkmale und b) Charaktereigenschaften ähnlich sind (Antwortkategorien: (Sozialer) Vater, Mutter, beiden gleich, keinem von beidem).
Ergebnisse: Es zeigten sich keine Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der Ähnlichkeitseinschätzung in Bezug auf körperlicher Merkmale. Jedoch schätzten beide Elternteile der Studiengruppe ihre Kinder hinsichtlich Charaktereigenschaften als dem sozialen Vater signifikant ähnlicher ein.
Diskussion: Unsere Ergebnisse lassen sich gut vor dem Hintergrund der sozialpsychologischen Theorie der kognitiven Dissonanz verstehen (Festinger, 1957). Die kognitive Dissonanz entsteht durch die Diskrepanz zwischen dem Wunsch der Eltern ein genetisch eigenes Kind zu haben und der Realität ein genetisch fremdes Kind zu haben. Durch die Betonung der charakterlichen Ähnlichkeit mit dem sozialen Vater wird die Bedeutsamkeit der biologischen Herkunft abgewertet und die Bedeutsamkeit der Erziehung durch den (sozialen) Vater aufgewertet.
Vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wird die Frage nach den Vor-und Nachteilen von Geheimhaltung bei heterologer Insemination diskutiert.
Key words
Heterologe Insemination - charakterliche Ähnlichkeit - kognitive Dissonanz - Eltern