Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_060
DOI: 10.1055/s-2005-863406

Psychosomatische Gynäkologie–state of the art

M Neises 1
  • 1Abt. Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover

Die psychosomatische Arbeitsweise ist die adäquate Antwort auf die Besonderheiten der gynäkologischen Aufgaben und die Erwartungen der Patientinnen. Jede Patientin bringt in die Behandlungssituation ihre Krankheit ein, oft als bedrängendes und akutes Ereignis, als auch die Summe ihrer Vorerfahrungen mit ihrem Körper und mit medizinischen Institutionen. Betrachtet man die Krankheitsbilder und Aufgaben in der psychosomatischen Gynäkologie sind zu nennen die psychosomatischen Aspekte der Lebensübergänge, wie Adoleszens und Klimatrium sowie psychosomatische Krankheitsbilder, wie chronischer Unterbauchschmerz, Miktionsstörungen, Blutungsstörungen, chronischer Fluor und Pruritus. Ein wichtiger Aufgabenbereich sind die somatopsychischen Folgen von Karzinomerkrankungen und die Aufgaben der Aufklärung im Sinne der perioperativen Psychohygiene. Darüber hinaus kommt den sexualmedizinischen Aspekten in der Gynäkologie eine große Bedeutung zu und schließlich die besondere Beratungssituation im Rahmen von Kontrazeption und Abruptio. Die weiteren geburtshilflichen Themen sind einem gesonderten Vortag vorbehalten.

Vor diesem Hintergrund wird die Bedeutung der Arzt/Ärztin-Patientin-Beziehung deutlich mit der Forderung nach kommunikativer Kompetenz. Ein Gelingen dieser Beziehung zeigt sich in der Balance von Nähe und Distanz. Im Rahmen der Facharztweiterbildung ist die Psychosomatische Grundversorgung vorgesehen.

Fragt man nach den theoretischen Grundlagen der psychosomatischen Gynäkologie, so finden sich verschiedene Erklärungsmodelle, die auf einzelne Krankheitsbilder mehr oder weniger gut angewandt werden können. Anzunehmen ist ein komplexes, multifatorielles und interdependentes Geschehen, in dem somatische, psychodynamische und soziologische Faktoren zusammenwirken. Aus historischem und feministischem Blickwinkel lassen sich interessante Entwicklungslinien nachvollziehen, „Was Frauen krank macht“.