Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_042
DOI: 10.1055/s-2005-863388

Die Wahrnehmung von Emotionen bei Patientinnen mit Anorexia Nervosa und Bulimia Nervosa

H Kessler 1, M Schwarze 1, HC Traue 1, J von Wietersheim 1
  • 1Abt. Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Ulm

Patienten mit Anorexia (AN) oder Bulimia Nervosa (BN) zeigen häufig Defizite in ihrer Fähigkeit, Emotionen zu regulieren. Alexithymie wurde als ein Merkmal solcher Patienten beschrieben. Weiterhin wird eine reduzierte Fähigkeit, Emotionen im Gesicht anderer zu erkennen, angenommen. Wir vermuten jedoch, dass die Erkennung und Kategorisierung eines mimischen emotionalen Ausdrucks eine auch von diesen Patienten beherrschte basale Fähigkeit ist, während deren Defizite auf höheren Ebenen des sozialen Kontexts und der Kommunikation liegen. Deshalb untersuchten wir eine Gruppe von 80 stationären Patientinnen mit AN (N=49) und BN (N=31) mit dem neu entwickelten FEEL Test (Facially Expressed Emotion Labeling) und der Toronto Alexithymie Skala (TAS). Der FEEL erfasst die Fähigkeit, mimisch kodierte Basisemotionen zu erkennen. Die Kontrollgruppe bestand aus N=40 nach Alter und Bildung gematchten gesunden Probandinnen. Wie erwartet zeigten die Patientinnen keine Defizite in ihrer Emotionswahrnehmung aus Gesichtern, waren jedoch signifikant alexithymer als die Kontrolle. Alexithymie korrelierte bei den Patientinnen signifikant mit Maßen für negativen Affekt (SCL-90), wie schon vielfach beschrieben. Diese Untersuchung verdeutlicht den Unterschied zwischen der basalen Wahrnehmung einer Emotion anhand der Mimik (FEEL) und deren Interpretation im sozialen Kontext (TAS).