Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_013
DOI: 10.1055/s-2005-863359

Affekte in den Lebensläufen psychosomatischer Patienten

H Berth 1, F Balck 1, P Joraschky 2, K Petrowski 2
  • 1Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Dresden
  • 2Klinik und Poliklinik für Psychotherapie und Psychosomatik, Universitätsklinik „Carl Gustav Carus“, Dresden

Hintergrund: In psychosomatischer Therapie und Forschung gewinnen Primärdaten zur Beschreibung von emotionalen Strukturen an Bedeutung. Wenige Untersuchungen haben bislang die Gütekriterien von solchen Methoden untersucht. In vorliegender Studie wird daher die Erfassung von Angstemotionen anhand von Primärdaten mit denen aus Fragebögen verglichen.

Methode: Stationär behandelte psychosomatische Patienten (N=40) wurden gebeten, zu Beginn ihrer Therapie einen handschriftlichen, ausformulierten Lebenslauf zu verfassen. Parallel wurden Fragebögen (u.a. SCL-90-R, KÖPS) vorgegeben. Bei den Patienten handelt es sich um N=20 depressive und N=20 Angstpatienten, im mittleren Alter von 31,7 Jahren. 72% waren weiblich. Als gesunde Kontrollgruppe wurden Studierende (N=40) herangezogen. Die Aufsätze wurden mit dem Gottschalk-Gleser-Verfahren auf verschiedene Angstaffekte hin untersucht. Dabei kam eine Computerversion der Angstskalen, das Dresdner Angstwörterbuch (DAW), zum Einsatz. Das DAW hat sich in verschiedenen Studien (Berth, 2004) als valide und reliabel erwiesen.

Ergebnisse: Es finden sich deutliche Unterschiede zwischen Patienten und Kontrollgruppe, wobei die Patientengruppen durchweg höhere Scores hatten. Diese Differenzen sind nicht auf die Alters- oder Geschlechtsunterschiede zurückführbar. Die Unterschiede zwischen Angst- und depressiven Patienten waren geringer. Angstpatienten hatten einen höheren Score in der Gesamtangst und der Verletzungsangst. Die Differenzen zwischen Patienten- und Kontrollgruppe und zwischen den Patientengruppen zeigten sich auch in den Fragebogenmaßen. Wenige Zusammenhänge gab es zwischen dem DAW und den Fragebogenscores.

Diskussion: Der Einbezug von Primärdaten kann die psychosomatische Diagnostik sinnvoll ergänzen (Identifikation von affektiv besetzen Ereignissen im Lebenslauf). Zur Differentialdiagnostik sind diese nicht geeignet. Einschränkend sind die Versuchspersonenzahl und die Querschnittserhebung zu beachten.