Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_012
DOI: 10.1055/s-2005-863358

Fibromyalgie, Subgruppen und der kommunikative Aspekt chronischer Schmerzen

K Bernardy 1
  • 1Fachklinik für Psychotherapeutische Medizin in den Bliestal Kliniken, Blieskastel

Einleitung: Die Erforschung der Ätiologie des Fibromyalgie (FM)-Syndroms zeigt eher inkonsistente psychologische und psychobiologische Befunde. Auch wurde deutlich, dass die aufgefundenen pathogenetischen Einflussfaktoren unterschiedlich zu gewichten sind. Dies unterstreicht die Notwendigkeit der Subgruppendifferenzierung.

FM-Patienten haben den Ruf „schwierig“ zu sein. Insbesondere niedergelassene Ärzte fühlen sich häufig „überflutet“ von detailreichen Schilderungen ständig wechselnder Beschwerden, die Patienten hingegen fühlen sich schnell als „Simulanten“ abgestempelt. Und doch gibt es auch Patienten, die durchaus zufrieden sind mit ihren Behandlern. Was wird also durch den Schmerz kommuniziert? Und: Kommunizieren verschiedene Untergruppen etwas anderes?

Ziel der vorliegenden Arbeit ist die Formulierung potentieller Subgruppen des Fibromyalgie-Syndroms anhand bisheriger Befunde und deren Erweiterung um den kommunikativen Aspekt chronischer Schmerzen.

Methodik: Die Literaturdatenbänke MEDLINE, PsycINFO, PSYNDEXplus und The Cochrane Library der Jahre 1990 bis 2004 wurden nach Studien mit der Zielsetzung der Untersuchung von Untergruppen FM durchsucht; aus den Ergebnissen wurden erste Subgruppen formuliert. Zur Überprüfung wurden in einer zweiten Literaturrecherche weitere Studien (ohne explizites Ziel der Subgruppenuntersuchung) hinzu gezogen. Die so formulierten Untergruppen wurden durch Theoriebildungen von Rudolf, Grande und Egle et al. unterlegt und so um den kommunikativen Aspekt erweitert.

Ergebnisse: Es scheinen drei FM-Gruppen zu existieren: eine erste Gruppe, in der hoher Stress, hohe Angst- und Depressionswerte und Somatisierung, inadäquate Bewältigung und hohe Kindheitsbelastungen dominieren und in der durch die Beschwerdeschilderung v.a. die Stärke des Leides und das „Überwältigtwerden“ von äußeren Belastungen kommuniziert werden. Die zweite Gruppe zeichnet sich v.a. durch interpersonale Schwierigkeiten und hohen Leistungsanspruch aus; via Schmerz- und Symptomklage werden hier Bedürftigkeit und regressive Beziehungswünsche ausgedrückt, zugleich aber auch die Erwartung eines enttäuschenden Objektes. Gruppe 3 hat ein niedriges Maß an psychischer Komorbidität und eine hohe Schmerzkontrolle, es dominiert die Kommunikation der Belastung durch eine chronische Erkrankung.

Diskussion: Die FM-Literatur macht die Existenz von drei Subgruppen wahrscheinlich. Deren empirische Bestätigung hätte insbesondere deutliche therapeutische Konsequenzen für eine schwer zu therapierende Erkrankung, deren sozialmedizinische Belastungen enorm sind.