Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_007
DOI: 10.1055/s-2005-863353

„Merkwelt und Wirkwelt“ im psychosomatisch-psychiatrischen Konsiliardienst–von der suffizienten Theorie zur guten Praxis

F Behrmann 1
  • 1Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Dresden

Die klinische Medizin (Somatik) bedarf des psychosomatischen-psychiatrischen Konsildienstes als Minimal-Legitimierung für eine tendenzielle Humanmedizin. Dieses Gebot löst ein Konsiliardienst am ehesten ein auf der Basis einer „Theorie der Humanmedizin“, wie sie besonders von Uexküll und Wesiack entworfen haben. Sollte psychiatrisches oder psychosomatisches Vorgehen nach dem linear-reduktionistischen Modell der naturwissenschaftlichen Medizin und Psychopathologie vorgehen, ist nur einem heute veralteten Menschenbild und einem Theorieverständnis aus dem 19. Jahrhundert Folge geleistet.

Für eine kritisch-moderne Sicht- und Handlungsweise bedarf es eines anderen Vorgehens unter Einbeziehung zumindest systemischer, psychodynamischer, neurobiologischer und verhaltensmetrischer Theorie- und Praxislinien. Zu wenig rezepiert, aber theoretisch suffizient und für eine sinnvolle Komplexität berücksichtigende Praxiologie gut geeignet sind die Aspekte der Situationskreislehre (Thure v. Uexküll), das diesbezüglich konkret anwendbare Emergenz-Denken und die Balint-Methodik. Eine pragmatische Anwendung des Situationskreismodelles mit der Analyse von „Merkwelt und Wirkwelt“ von Patient, Konsiliararzt, Pflegepersonal und Konsilauftraggeber erlaubt eine Erweiterung des naiven Subjekt-Objekt-Denkens und Handelns sowie einer nicht optimalen Verstehens- und Problemlösungskompetenz.–Dies wird kasuistisch und klinisch aufgezeigt.