Psychother Psychosom Med Psychol 2005; 55 - S_006
DOI: 10.1055/s-2005-863352

Inanspruchnahmeverhalten von professioneller Hilfe nach berufsbedingten psychischen Traumatisierungen

O Bär 1, S Reinecke 1, F Bastians 2, B Runde 2, U Weiss 2, G Heuft 1
  • 1Klinik und Poliklinik für Psychosomatik und Psychotherapie, Universitätsklinikum Münster
  • 2Institut für Aus- und Fortbildung der Polizei in Nordrheinwestfalen, Bildungszentrum „Carl Severing“ Münster

Fragestellung: Die vorliegende Arbeit untersucht, welche Faktoren Polizeibeamte davon abgehalten haben, an einer Sekundärprävention teil zu nehmen. Methode: Polizeibeamte wurde retrospektiv zu belastenden Situationen im Polizeialltag und ihrer Inanspruchnahme von Sekundärprävention interviewt. Es wurden 6 Cluster von Gründen für eine Nichtinanspruchnahme nach einer Belastungssituation gebildet. Es wurde die Reliabilität dieses Kategoriensystems untersucht und, ob sich Zusammenhänge zu der subjektiven Belastungsschwere nachweisen lassen. Ergebnisse: Es wurden 142 berufliche Belastungssituationen untersucht, die nicht zur Inanspruchnahme von Maßnahmen zur Sekundärprävention geführt haben. In 38% war Hilfe nicht notwendig, in 20,4% war ein hoher Leistungsanspruch Grund für die Nichtinanspruchnahme. 6,3% der Betroffenen hatten kein Vertrauen. Keine Informationen über Hilfsangebote hatten 9,9%. Eigene Bewältigungsmöglichkeiten reichten bei 13,4% der Betroffenen aus und in 12% war keine Hilfe verfügbar. Es fanden sich gute Werte für die Inter-Rater-Reliabilität (Cohen's Kappa=0,78). Die subjektive Belastung nach dem Ereignis bei Betroffenen, die kein Vertrauen in bestehende Hilfsangebote hatten (MW 50,56) war deutlich höher, als bei Betroffenen, die die Situation nicht als kritisch eingeschätzt hatten (MW 27,22). Auch zum aktuellen Zeitpunkt lag der Belastungsgrad der ersten Untergruppe deutlich über dem der zweiten Gruppe. Schlussfolgerung: Bei 51,4% der Betroffenen waren eigene Bewältigungsmöglichkeiten ausreichend oder die Situation wurde nicht als kritisch empfunden. Bei einem Fünftel der Betroffenen war ein hoher eigener Leistungsanspruch Grund dafür, den Zugang zu Hilfsangeboten nicht zu nutzen. Dies bestätigt bisherige Untersuchungen, in denen ungünstige Bewältigungsstrategien einen Risikofaktor für die Entstehung von psychischen Traumafolgestörungen darstellen und eröffnet Möglichkeiten für die Primärprävention.