Deutsche Zeitschrift für Onkologie 2005; 37(1): 13-22
DOI: 10.1055/s-2005-862520
Forschung

Karl F. Haug Verlag, in: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG

Spirituelle Bedürfnisse krebskranker Menschen

- Einstellung und Praxis -Arndt Büssing1 , Thomas Ostermann2 , Peter F. Matthiessen2
  • 1Krebsforschung Herdecke, Abteilung für angewandte Immunologie, Tumorambulanz des Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke
  • 2Lehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin, Arbeitsgruppe Spiritualität und Medizin, Universität Witten/Herdecke
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Publication Date:
29 March 2005 (online)

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Zusammenfassung

Nicht nur in der Onkologie findet sich in zunehmendem Maße in unterschiedlichen Bedeutungsnuancen die Frage nach den „spiritual needs”, also den spirituellen Bedürfnissen von Patienten und wie diesen begegnet werden kann. In diesem Beitrag wird die Frage der spirituellen Bedürfnisse und Ressourcen von Patienten, die an Krebs erkrankt sind in einer Patientenbefragung nachgegangen. Hauptfragestellung ist dabei, welche Patienten eine spirituell-religiöse Begleitung suchen und inwieweit sie von günstigen Auswirkungen auf ihren Krankheitsverlauf überzeugt sind. Hierzu wurde der von uns entwickelten SpREUK-Fragebogen mit seinem Praxis-Manual eingesetzt, das neben den konventionellen Formen einer religiösen bzw. spirituellen Praxis auch existenzialistisch-humanistische Belange berücksichtigt. Wir konnten zeigen, dass Krebspatienten, die sich selber sowohl religiös als auch spirituell empfanden, ein signifikant größeres Interesse an einer Suche nach sinngebender Rückbindung als Patienten ohne diese Einstellung hatten. Eine Analyse der Einflussgrößen Alter, Geschlecht, Familienstand, Krankheitsdauer, Konfession, spirituelle/religiöse Haltung ergab, dass Frauen ein signifikant größeres Interesse an einer Suche nach Sinn-gebender Rückbindung sowie positiver Krankheitsdeutung haben und deutlich häufiger von den günstigen Auswirkungen der Spiritualität und Religiosität auf ihre Lebensbezüge überzeugt sind als Männer. Hinsichtlich der verschiedenen Formen einer spirituell-religiösen Praxis fiel auf, dass Krebs- und Multiple-Sklerose-Patienten sich signifikant weniger häufig den Formen der spirituell-religiösen Praxis zuwenden als Gesunde. Weibliche Krebspatienten hatten eine signifikant höhere Ausübungsfrequenz für fast alle Formen der spirituellen/religiösen Praxis. Signifikante Unterschiede fanden sich in Abhängigkeit von der Schulbildung. Wir konnten mit unseren Untersuchungen erste Hinweise geben, welche Patienten besondere SpR-Bedürfnisse und Interessen haben. Damit ist ein erster Schritt für deren Verankerung in die Patientenversorgung gemacht worden, auch wenn dies möglicherweise eine Herausforderung für die den Patienten Begleitenden ist, ihn mit all seinen Bedürfnissen und Ängsten ernst zu nehmen und auch selber übergreifende Kompetenzen zu entwickeln.

Summary

Spiritual needs are an essential component of holistic health care. Several studies have shown that religious involvement and spirituality are associated with better health outcome, coping skills and health-related quality of life. Using the newly developed SpREUK inventory, we examined how German cancer patients by themselves view the impact of spirituality and religiosity (SpR) on their health and how they cope with illness. Moreover, to investigate the distinct forms of SpR practice, we describe herein the validation of the SpREUK-P manual which measures the conventional religious and spiritual methods of practice and existentialistic-humanistic forms of practice. We have found that cancer patients with both a religious and spiritual attitude had significantly higher values in the search for meaningful support, and in addressing the stabilizing effects of SpR than patients without such attitudes. Patients with non-spiritual religious attitudes had a lower perception of the beneficial effects of their SpR and significantly lower needs for meaningful support. Female cancer patients were convinced that finding access to a spiritual source has a positive influence on their illness, that illness has meaning, regard illness as a chance for their own development and as a hint to change life. With regard to the different forms of SpR practice, we found that a patients with cancer or Multiple Sclerosis had a significant lower use of the conventional forms of religiosity or spirituality than healthy individuals. Several differences were dependent with regard to the educational level. Thus, knowledge of a patient's spirituality can help service providers predict aspects of psychosocial needs and to respond sensitively and appropriately. The SpREUK questionnaire is a useful tool to define patients who are more in need for spiritual support than others.

Literatur

01 Mit dem Begriff Spiritualität wird eine nach Sinn und Bedeutung suchende Lebenseinstellung bezeichnet (die nicht notwendigerweise identisch mit Religiosität ist), bei der sich der/die Suchende ihres „göttlichen” Ursprungs bewusst ist (wobei sowohl ein transzendentes als auch ein immanentes göttliches Sein gemeint sein kann, z.B. Gott, Allah, JHW, Tao, Brahman, Prajna, All-Eines u.a.) und eine Verbundenheit mit anderen, mit der Natur, mit dem Göttlichen usw. spürt. Aus diesem Bewusstsein heraus bemüht er/sie sich um die konkrete Verwirklichung der Lehren, Erfahrungen oder Einsichten im Sinne einer individuell gelebten Spiritualität, die durchaus auch nicht-konfessionell sein kann. Die hat unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensführung und die ethischen Vorstellungen [[4]].

Korrespondenzadresse

PD Dr. med. Arndt Büssing

Lehrstuhl für Medizintheorie und Komplementärmedizin Arbeitsgruppe Spiritualität und Medizin, Universität Witten/Herdecke

Gerhard-Kienle-Weg 4

58313 Herdecke

Email: ArBuess@t-online.de