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DOI: 10.1055/s-2005-862472
Sectio – Eine gesunde Entscheidung?
Einleitung: Steigende Kaiserschnittraten lassen Fragen sowohl nach dem Hintergrund der Entscheidung zur Sectio bei der Schwangeren, wie nach der Veränderung geburtshilflicher Praxis in den Kliniken aktuell werden. Der Beitrag soll die aktuellen Ergebnisse der eigenen Arbeitsgruppe (Hellmers, Schwarz) in den Kontext internationaler Ergebnisse stellen.
Methode: 1). Prospektive nicht-experimentelle deskriptive Studie mit zwei Erhebungszeitpunkten. Zeitpunkt 1 (T1): Von Januar bis Juni 2003 wurden Daten von 366 Primiparae in der 28.-35. Schwangerschaftswoche (SSW) mittels Fragebogen gewonnen (M=33,36; SD=2,45; Rücklauf entspricht 50,8%). Erhoben wurden u.a. Daten zum gewünschten Geburtsmodus, zum Wohlbefinden und zum Sense of coherence. Zeitpunkt 2 (T2): Von April 2003 bis Januar 2004 wurden dieselben Frauen 7–18 Wochen post partum (M=8,68; SD=1,41) telefonisch befragt (Rücklauf 93,4%; n=3,42). Erhoben wurden u.a. Daten zur Wahl des Geburtsmodus (retrospektiv), zum erlebten Geburtsmodus, zur Mutter-Kind-Beziehung und zum maternalen psychischen und physischen Wohlbefinden. 2.) Retrospektive Sekundäranalyse mit SPSS, vorwiegend deskriptive Statistik über 1.066802 Geburten/Niedersächsische Perinatalerhebung 1984–1999.
Ergebnisse: Aus 1.): Nur ein geringer prozentualer Anteil der Schwangeren wünscht sich eine Sectio, aber 60,9% der Frauen mit dem präferierten Geburtsmodus Kaiserschnitt (n=23) gebären tatsächlich mittels Sectio. Dabei liegt der Anteil der elektiven Sectiones bei nur 8,7%. Aus 2.): Insgesamt wurden 94.301 primäre Sectiones und 85.218 sekundäre Sectiones dokumentierte. Zur primären Sectio wurden folgende Indikationen am häufigsten angegeben: 1. Beckenendlage, 2. Sonstiges, 3. Z. n. Sectio, 4. Rel. Missverhältnis, 5. Pathologisches CTG (keine Abb.). Gestose und Frühgeburt lagen deut lich unter den für diese Indikation ermittelten Werten. Sekundäre Sectio zeigt folgende Häufigkeiten: 1. Pathologisches CTG, 2. Protrahierte Geburt/Geburtsstillstand in der EP, 3. Sonstiges, 4. Absolutes oder relatives Missverhältnis. Einen wesentlich geringeren Anteil an der Sectio-Rate haben die Indikationen (in der Reihenfolge der Häufigkeit): Vorzeitiger Blasensprung, Geburtsstillstand in der AP und Beckenendlage.
Schlussfolgerung: Anhand der Ergebnisse von 1.) wird deutlich, dass die Frauen in der Entscheidungspraxis eine eher passive Rolle einnehmen. Dies wird anhand der Literatur noch weiter diskutiert. 2.) Die in der Perinatalerhebung dokumentierten Sectio-Indikationen sind im Laufe der Zeit deutlichen Trends unterworfen, die weniger auf Veränderungen der weiblichen Physiologie zurückgeführt werden können als auf veränderte Entscheidungspraxis. In der Beurteilung primärer Sectiones fällt das häufige Vorkommen von Missverhältnis und pathologischem CTG auf; diese Indikationen vor Wehenbeginn wären erst unter der Geburt, und damit zur sekundären Sectio führend, zu erwarten. Bei der sekundären Sectio entsprechen die beiden häufigsten Indikationen den Erwartungen. Es überrascht dagegen die 3.- bzw. bei primärer Sectio 2.-häufigste Nennung „sonstiger“ Indikation. Abschließend wird die Auswirkung der derzeitigen Sectio-Praxis diskutiert werden.