Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2005-861734
Chronische Behandlung mit Pyridostigmin vermindert die Expression von Acetylcholinrezeptoren
Fragestellung: Pyridostigmin, ein reversibler Acetylcholinesterase (AChE)-Inhibitor, wird neben der Therapie der Myasthenia gravis auch prophylaktisch bei Soldaten eingesetzt, um eine eventuelle Nervengasintoxikation zu mildern.
Pyridostigmin erhöht dabei die Konzentration des synaptischen Acetylcholin, das bei inhibierter AChE vermindert hydrolysiert wird. Gemäß der klassischen Rezeptorexpressionstheorie sollte die kontinuierliche Stimulation der Acetylcholinrezeptoren (AChR) zu ihrer verminderten Expression führen und so ein myasthenes Syndrom und eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber nichtdepolarisierenden Muskelrelaxantien auslösen. In dieser Studie wurden deshalb die Effekte einer chronischen Applikation von Pyridostigmin auf die Muskel-AChR und die Wirkung von Atracurium untersucht.
Methoden: Nach Einverständnis der Tierschutzkommission wurde SD-Ratten (n=50) in Narkose eine osmotische Pumpe subkutan am Rücken implantiert, um über 14 bzw. 28 Tage Pyridostigmin (5 bzw. 25mg/kg/Tag) kontinuierlich zu infundieren. Kontrolltiere erhielten lediglich Kochsalzlösung. Um einen direkten agonistischen Effekt von Pyridostigmin an den AChR auszuschließen, wurde die osmotische Pumpe 24 Stunden vor der Untersuchung der Atracurium-Pharmakodynamik entfernt. Am Vesuchstag wurde in erneuter Narkose mit kumulativer Technik die effektive Dosis (ED 50) sowie die Infusionsrate (IR 50) für eine 50%-neuromuskuläre Blockade mit Atracurium bestimmt. Die neuromuskuläre Transmission wurde am Musculus tibialis cranialis (Kontraktionskraft) nach Train-of-four Stimulation des Nervus ischiadicus überwacht. Die AChR-Anzahl im M.
tibialis cranialis wurde mithilfe von 125Iod-α-Bungarotoxin bestimmt. Die Gruppen wurden mit einer faktoriellen ANOVA verglichen (p<0,05).
Ergebnisse: Die ED 50 und IR 50 waren unabhängig von der Applikationsdauer bei hoher Pyridostigmindosis signifikant geringer. In den Gruppen mit nur 5mg/kg/Tag Pyridostigmin ergaben sich für die ED50 und die IR 50 keine signifikanten Unterschiede zu den Kontrolltieren. Die Anzahl der AChR war lediglich in der Hochdosisgruppe nach 28 Tagen Applikationsdauer signifikant erniedrigt.
Schlussfolgerungen: Diese Studie zeigt, dass die chronische und hochdosierte Behandlung mit dem AChE-Inhibitor Pyridostigmin die Muskel-AChR in ihrer Anzahl reduziert und die Sensitivität gegenüber Atracurium erhöht. Ein iatrogenes myasthenes Syndrom ist also bei Patienten mit chronischer Pyridostigmin-Exposition nicht auszuschließen.