Kardiologie up2date 2005; 1(1): 23-40
DOI: 10.1055/s-2005-861146
Herzinsuffizienz
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Biomarker bei Herzinsuffizienz

Markus  Haass
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Publication Date:
19 April 2005 (online)

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Kernaussagen

Biomarker-Anforderungen. Ein verlässlicher Biomarker könnte das Krankheitsmanagement bei Herzinsuffizienz wesentlich verbessern, da

die Symptomatik einer Herzinsuffizienz oft unspezifisch ist,

Verlaufs- und Therapiekontrollen im Praxisalltag im Wesentlichen auf subjektive Angaben des Patienten (NYHA-Stadium) beschränkt sind und

die klinische Umsetzung einer leitliniengerechten Therapie bislang häufig nicht optimal ist.

Potenzielle Biomarker. Potenzielle Biomarker leiten sich aus der Pathophysiologie der Herzinsuffizienz ab. Durch Aktivierung neurohumoraler sowie immunmodulierender Systeme kommt es in Abhängigkeit vom Schweregrad der Herzinsuffizienz zu einer Zunahme der Plasmakonzentrationen zahlreicher Mediatoren, wie beispielsweise Noradrenalin, Endothelin, IL-6 und TNF-α (Tab. [2]). Mit Ausnahme der natriuretischen Peptide sind diese als Herzinsuffizienzmarker jedoch nicht praxistauglich, weil

ihre Sensitivität und Spezifität zu gering ist,

sie durch Medikamente und andere exogene Faktoren krankheitsunabhängig beeinflusst werden

ihre Präanalytik und Analytik zu komplex ist.

Natriuretische Peptide. Natriuretische Peptide haben als Biomarker den Vorteil, dass sie in Abhängigkeit von der kardialen Wandspannung direkt aus Kardiomyozyten freigesetzt werden. Als Spiegel der linksventrikulären Funktion eignen sich BNP und NT-proBNP besonders als Herzinsuffizienzmarker. Beide sind durch eine unkomplizierte Präanalytik (unter anderem hohe Probenstabilität) charakterisiert, was sie für den Praxisalltag besonders attraktiv macht.

In der Primärdiagnostik erlauben BNP und NT-proBNP

bei unklarer Symptomatik den Ausschluss einer kardialen Dysfunktion (hoher negativer prädiktiver Wert) und

die Identifizierung asymptomatischer Patienten mit einer manifesten linksventrikulären Funktionseinschränkung insbesondere bei solchen mit einem erhöhten Risiko für eine Herzinsuffizienz (hohe Sensitivität).

Die Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP steigen sowohl bei einer systolischen als auch (in geringerem Maße) bei einer diastolischen Funktionsstörung an. Sie erlauben eine Objektivierung des Schweregrads einer Herzinsuffizienz und eine von anderen Prognoseparametern, wie beispielsweise LVEF, unabhängige Risikoeinschätzung, was sowohl für die Akutsituation (kardiale Dekompensation, Myokardinfarkt) als auch im chronischen Stadium einer kardialen Dysfunktion gilt.

Die Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP verändern sich parallel mit den kardialen Füllungsdrucken und eignen sich daher potenziell zur Verlaufskontrolle. Auch den Veränderungen der Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP im Krankheitsverlauf kommt eine prognostische Bedeutung zu. Ob sich aus einer mittels BNP bzw. NT-proBNP gesteuerten Therapiekontrolle und -optimierung auch ein prognostischer Nutzen ergibt, muss noch in praxisnahen Multicenter-Studien bestätigt werden, zumal die unterschiedlichen Therapiemodalitäten zeit- und dosisabhängig heterogene Einflüsse auf die Plasmakonzentrationen von BNP und NT-proBNP haben können. Als objektives Maß der Güte der Therapieeinstellung könnten BNP und NT-proBNP im Praxisalltag grundsätzlich auch zur Verbesserung der Compliance der Patienten genutzt werden.

BNP und NT-proBNP stellen somit eine wertvolle Erweiterung der nichtinvasiven diagnostischen Möglichkeiten dar, wenn beim Einsatz in Praxis und Klinik folgende Hinweise beachtet werden:

Die Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP nehmen mit dem Alter zu, liegen bei Frauen höher als bei Männern und werden durch die Nierenfunktion (ab einem Serumcreatinin von 2 mg/dl erschwerte Interpretation) beeinflusst.

Die Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP erlauben keine Rückschlüsse auf Form und Ätiologie einer kardialen Dysfunktion und können daher die Echokardiographie nicht völlig ersetzen.

Eine KHK als Ursache einer unspezifischen Beschwerdesymptomatik lässt sich mit Hilfe von BNP und NT-proBNP nicht ausschließen.

Unter optimierter Herzinsuffizienztherapie können die Plasmaspiegel von BNP und NT-proBNP trotz manifester kardialer Dysfunktion in den Normbereich sinken.

Weitere potenzielle Indikationen für zukünftige Einsatzmöglichkeiten von BNP und NT-proBNP könnten sein: Verlaufskontrolle und Stellung der Operationsindikation bei diversen Herzklappenerkrankungen und die Risikoeinschätzung bei akutem Koronarsyndrom.

Literatur

Prof. Dr. med. Markus Haass

Innere Medizin I (Kardiologie, Angiologie und Internistische Intensivmedizin), Theresienkrankenhaus

Bassermannstr. 1
68165 Mannheim

Email: m.haass@theresienkrankenhaus.de