Zusammenfassung
Patienten sind im Gesundheitswesen auch „Konsumenten”. Die Stärkung ihrer Rolle als
Konsument könnte daher eine Strategie der Veränderung des Gesundheitsverhaltens sein.
Hierzu sind unabhängige Informationen zu Versorgungsleistungen, Therapien und Einrichtungen
des Gesundheitssystems notwendig. Das von den Spitzenverbänden der Krankenkassen im
Rahmen der Förderung nach § 65 b SGB V finanziell unterstützte und hier vorgestellte
Modell einer unabhängigen zahnmedizinischen Verbraucher- und Patientenberatung im
Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis ist hierzu ein Weg. Über 4 000 Ratsuchende haben
seit 2001 Informationen zu zahnärztlichen Behandlungen, zu geplanten Therapien oder
zu Rechtsfragen erhalten. Mehr als die Hälfte der Ratsuchenden sind zwischen 40 und
70 Jahre alt. Der Anteil der Frauen überwiegt. Der größte Teil der Patienten wünscht
eine unabhängige Zweitmeinung, womit auch die Grenzen von Callcentern oder von Internetberatungen
verdeutlicht werden. Die Anonymität der Beratung hat einen hohen Stellenwert für die
Ratsuchenden. Nicht nur die hohe Zahl der Beratungen, sondern auch die Tatsache, dass
die Mehrzahl der Ratsuchenden über ihre jeweilige Krankenkasse auf das Angebot hingewiesen
wurde, belegt die gelungene Integration der Beratungsstelle. Aus verschiedenen Gründen
kann davon ausgegangen werden, dass es eine steigende Nachfrage nach qualifizierter
zahnärztlicher Beratung geben wird. Die Gesundheitspolitik ist daher aufgerufen, gesetzliche
Rahmenbedingungen zu schaffen und die Finanzierung auf breiter Basis sicher zu stellen.
Wo immer möglich kann der öffentliche Gesundheitsdienst die Federführung übernehmen,
die Unabhängigkeit der Beratungsstelle sicherstellen und gewährleisten, dass Gruppeninteressen
unberücksichtigt bleiben.
Abstract
Patients should be the focus of health care - or so resounds the frequently heard
cry of politicians, consumer protection groups and patient representatives. It cannot
be denied that the increased co-determination of the insured and of patients in the
health service is a sign of the times. Demanding ever increasing health insurance
premiums and exacting higher additional contributions from patients on the one hand
without increasing their say and their rights on the other hand meets with little
sympathy. Spouting like a mantra about “personal responsibility”, the “voice of the
patient” or the “sovereignty of the consumer” in talk-shows or studio debates is not
sufficient. Words must be followed up by actions in order to give patients the necessary
skills to enable them to make autonomous decisions. One step in this direction is
the model of an independent dental consumer and patient advisory service in the Rhine-Neckar
district health authority presented here and sponsored by the central associations
of the health insurance companies in the scope of the funding provided under § 65
b SGB V [Social Security Code]. Since 2001 over 4000 people seeking advice have received
information about dental treatment, planned therapies or legal issues. More than half
of those seeking advice are between 40 and 70 years old and the number of women outweighs
the number of men. The majority of patients want an independent second opinion, demonstrating
the limits of call centres or Internet advice services. The anonymity of the consultation
is an important factor for those seeking advice. The successful integration of the
advisory service is evident, not only from the high number of consultations, but also
from the fact that the majority of those seeking advice have been referred to the
service by their respective health insurance company. For various reasons it can be
assumed that there will be an increasing demand for qualified dental advice. It is
therefore incumbent on health policy to create a regulatory framework and to ensure
the funding on a broader base. Wherever possible the public health service can take
control, ensuring the independence of the advisory service and guaranteeing that group
interests remain outside.
Schlüsselwörter
Patientenberatung - Zweitmeinung - Patientensouveränität - Zahnmedizin
Key words
Patient consultation - second opinion - patient sovereignty - dentistry
Literatur
- 1
Baden-Württemberg Zahnärzteblatt .
Der Zahnarzt zwischen Ethik und Monetik.
ZBW.
2001;
68
48
- 2 Staehle H J. Wege zur Realisierung einer präventionsorientierten Zahnheilkunde in
Deutschland. München; Hanser 1996: 78-88
- 3 Egeton S. Individuelle Gestaltungsoptionen der Verbraucher im Gesundheitswesen. Böcken
J, Braun B, Schnee M Gesundheitsmonitor 2004 Gütersloh; Bertelsmann Stiftung 2004:
66-67
- 4
Zok K.
Private Zusatzangebote in der Arztpraxis.
WidO-monitor.
2004;
68
6-7
- 5 KZBV Jahrbuch 2003. Statistische Basisdaten zur vertragszahnärztlichen Versorgung. Kassenzahnärztliche
Bundesvereinigung Köln; KZBV 2003: 132
- 6 Vollmuth R. Betrachtungen zur „Ästhetischen Zahnheilkunde”. Groß D Ethik in der
Zahnheilkunde Würzburg; Königshausen u. Neumann 2002: 121
- 7
Kern A O.
Ausgliederung von Leistungen für Zahnersatz aus der gesetzlichen Krankenversicherung
- Eigenverantwortung der Versicherten und die Folgen für die GKV.
Volkswirtschaftliche Schriftenreihe der Universität Augsburg.
2003;
68
11
- 8 Sinha M. Qualitätsmanagment im Gesundheitswesen. Wiesbaden; Dt. Univ.-Verlag 1998:
156-181
- 9 Gutachten 2000/2001 - Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III: Über-,
Unter- und Fehlversorgung. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
Baden-Baden; Nomos 2002: 18
- 10 Kranich C. Patientenrechte und Patientenunterstützung in Theorie und Praxis. Brinkmann-Göbel
R Handbuch für Gesundheitsberater Bern; Hans Huber 2001: 40-41
- 11 Gutachten 2000/2001 - Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit. Band III: Über-,
Unter- und Fehlversorgung. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen
Baden-Baden; Nomos 2002: 47-48
- 12
Badura B.
Die Rolle der Krankenkasse als Anwältin der Versicherten - ein Leitbild für Versicherte.
AOK im Dialog.
2002;
68
27
- 13 Huismann H. Zahnärzte - Report über einen umstrittenen Berufsstand. Hamburg; Rasch
u. Röhring 1988: 26-33
- 14 Tiemann B, Klingenberger D, Weber M. System der zahnärztlichen Versorgung in Deutschland. Köln;
Deutscher Zahnärzte Verlag 2003: 31-37
- 15
Transparency International Deutschland .
Stellungnahme von Transparency International Deutschland zur anstehenden Gesundheitsreform.
2.9.2004;
, http://www.transparency.de/fileadmin/pdfs/30.40.09StellungGesundheitsreform06_03.pdf
- 16 Michelsen K. Blockade- oder Stabilisierungsfaktor? Die Selbstverwaltung in der
Kritik. Deppe H-U, Burkhardt W Solidarische Gesundheitspolitik Hamburg; VSA-Verlag
2002: 104-115
- 17 Rosenbrock R, Gerlinger T. Gesundheitspolitik. Eine systematische Einführung. Bern;
Huber 2004: 134
- 18
Dehlinger E.
Vertrauen ist gut - Beratung ist besser. Modellprojekte zur Patienteninformation.
Gesundheit und Gesellschaft.
2005;
68
27-29
- 19
Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg .
Patientenberatung/Zweitmeinung - Wie sieht die derzeitige Patienteninformation aus
und wie sollte sie künftig gestaltet werden?.
Pressehintergrundgespräch am 5.2.2003 in Stuttgart.
- 20
Zahnärzteblatt Baden-Württemberg .
Ein standespolitischer 4-Jahres-Plan.
ZBW.
2004;
68
8-9
- 21 Seidel G, Dierks M L. Ergebnisse zur Evaluation der Modellprojekte nach § 65 b
SGB V - Nutzerbefragung. Bericht der wissenschaftlichen Begleitforschung für die Spitzenverbände
der GKV. Hannover; Eigenverlag 2004: 43-46
- 22
Krause H, Schaeffer D.
Unabhängige Patientenberatung und Nutzerinformation in Deutschland - Resultate des
dreijährigen Modellvorhabens nach § 65 b SGB V.
G+G-Wissenschaft.
2005;
68
14-22
- 23
IDZ .
Prognose der Zahnärztezahlen und zum Leistungsbedarf. In Zukunft wird sich nicht viel
ändern.
ZM.
2005;
68
20-21
- 24 DGZPW. Bedarfsermittlung für prothetische Leistungen in der Zahnheilkunde bis zum
Jahr 2020. München; I+G Gesundheitsforschung 2001: 95-96
- 25 Wille E. Optionen der Gesundheitssystemsteuerung aus gesundheitsökonomischer Perspektive. Institut
der Deutschen Zahnärzte Die zahnärztliche Versorgung im Umbruch. Ausgangsbedingungen
und Gestaltungsperspektiven München; Deutscher Zahnärzte Verlag 2001: 41
- 26 Nederegger G. et al .Zukunft des gesetzlichen Krankenkassenwesens in Deutschland:
von der Budgetierung zur wert- und leistungsorientierten Gesundheitsversorgung. Salfeld
R, Wettke J Die Zukunft des deutschen Gesundheitswesens. Perspektiven und Konzepte
Berlin; Springer 2001: 89-90
- 27
Kern A O.
Arztinduzierte Nachfrage in der ambulanten Versorgung. Bedeutung für eine Privatisierung
von Leistungen der Gesetzlichen Krankenversicherung.
Volkswirtschaftliche Diskussionsreihe.
2002;
68
35
- 28 Sauerland D. Gesundheitspolitik in Deutschland. Reformbedarf und Entwicklungsperspektiven. Gütersloh;
Bertelsmann Stiftung 2002: 265-266
- 29 Nolting H D, Wasem J. Der Patient vor der Wahl - Durch mehr Wissen zu mehr Verantwortung.
Ergebnisse der Janssen-Cilag Bevölkerungsbefragung 2002. Neuss; Janssen-Cilag 2002:
36-37
- 30
Brückmann J.
Anforderungen an ein effizientes Gutachterwesen. Privatisierungsvorhaben in der zahnmedizinischen
Versorgung schwächen den Patientenschutz.
Der Artikulator.
1996;
68
21-24
- 31
Ruhr Nachrichten vom 28.8.2004. Guter Rat für Zahn-Patienten. Kreis Unna startet am
1. September einen in NRW bisher einmaligen Modellversuch.
- 32
Westfälische Rundschau vom 28.8.2004. Unna fühlt Zahnärzten auf den Zahn. Kostenlose
Beratung für Patienten aus dem Kreis: Liegt der eigene Dentist daneben?.
Dr. Uwe Niekusch
Gesundheitsamt Rhein-Neckar-Kreis - Zahnärztlicher Dienst
Kurfürstenanlage 38 - 40
69115 Heidelberg
Email: info@agz-rnk.de