intensiv 2005; 13(3): 118-119
DOI: 10.1055/s-2005-857928
Intensivpflege

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Reduktion katheterassoziierter Septikämien durch ein multimodales Trainingsprogramm: Erfahrungen aus dem Johns-Hopkins-Universitätsklinikum in Baltimore, USA

Hardy-Thorsten Panknin1
  • 1Berlin
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Publication Date:
31 May 2005 (online)

Trotz verbesserter Kathetermaterialien und einschlägiger Hygienerichtlinien sind venenkatheterassoziierte Septikämien nach wie vor eine der häufigsten nosokomialen Infektionen. Auf Intensivstationen verusachen derartige Infektionen im Mittel eine Verweildauerverlängerung von ca. 10 Tagen. Nach US-amerikanischen Studien entstehen hierdurch pro Fall zusätzliche Kosten in Höhe von 10 000 - 40 000 USD. In Deutschland wurden im Rahmen einer Kostenanalyse an der Freiburger Universitätsklinik Zusatzkosten von ca. 7000 € errechnet [2].

Es ist unbestritten, dass die katheterassoziierte Infektion bei längerer Liegedauer des Katheters vorwiegend durch Fehler beim Hygienemanagement entsteht. Hierzu gehören die fehlende Händedesinfektion beim Hantieren am Katheterkonus oder Dreiwegehahn, das mehrfache Aufziehen von Perfusorspritzen oder anderen Spritzen, zu langes Stehenlassen von angebrochenen Parenteralia bei Raumtemperatur am Patientenbett oder der nachlässige Umgang mit Infusionslösungen. Alle diese Faktoren können durch ein konsequentes Umsetzen von Hygieneempfehlungen minimiert werden.

In der vorliegenden Längsschnittstudie analysierte ein Autorenteam um Dr. Sean M. Berenholtz von der Johns-Hopkins-Universitätsklinik in Baltimore, USA, ob durch die schrittweise Einführung von Hygienemaßnahmen, begleitet von einem entsprechenden Trainingsprogramm, eine Reduktion von katheterassoziierten Septikämien erreicht werden kann.

Das Johns-Hopkins-Krankenhaus ist eine 926-Betten-Klinik der Maximalversorgung mit 7 Intensivstationen und zahlreichen medizinischen Fachdisziplinen.

Die Studie wurde auf einer allgemeinchirurgischen Intensivstation mit 16 Betten durchgeführt, als „Kontrolle” diente eine herzchirurgische Intensivstation mit 15 Betten. Der Studienzeitraum erstreckte sich über 5 Jahre vom 1.1.1998 bis zum 31.12.2002. Im gesamten Zeitraum wurde die Rate katheterassoziierter Septikämien mittels standardisierter Kriterien erfasst und bezogen auf die Zahl der Kathetertage berechnet.

Folgende Trainingsmaßnahmen bzw. Hygienemaßnahmen wurden schrittweise eingeführt:

Tab. 1 Eingeführte Hygienemaßnamen auf der allgemeinchirurgischen Intensivstation Maßnahme Einführung ab Bildung eines interdisziplinären Teams aus den ärztlichen Leitern der Intensivstationen, weiteren Ärzten der Intensivstationen, den Pflegedienstleitungen und den Hygienefachkräften. im Vorlauf Erstellung einer hausinternen, verpflichtenden Hygieneleitlinie für Venenkatheter auf der Basis der veröffentlichten Richtlinie der CDC (Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, Georgia, USA). Die Leitlinie des Johns-Hopkins-Krankenhauses kann im Internet abgerufen werden (www.hopkins-heic.org/prevention/vad.html). Sie umfasst sowohl Maßnahmen für das Legen als auch für die Pflege und das Handling zentralvenöser Katheter. Februar 1999 Schulung aller neu auf die Intensivstation kommenden Ärzte und aller Pflegekräfte zu den Inhalten der Leitlinie. Neue Ärzte mussten sich zunächst einem Test mit 10 Fragen zur Katheterinsertion unterziehen und durften erst nach erfolgreicher Beantwortung der Fragen eigenverantwortlich zentralvenöse Katheter legen. Februar 1999 Bereitstellung eines „Katheterwagens” auf der Station. In diesem Wagen wurden in 4 Schubfächern alle benötigten Utensilien für die Katheterinsertion vom Hautdesinfektionsmittel bis hin zu passenden sterilen Handschuhen aufbewahrt. Der Inhalt wurde alle 4 h von den Stationsassistenten aufgefüllt und die Vollständigkeit des Wageninhalts durch Handzeichen auf einer am Wagen angebrachten Checkliste bestätigt. Juni 1999 Tägliche Abfrage durch das Hygieneteam, ob ein zentraler Venenkatheter bei dem jeweiligen Patienten überhaupt noch benötigt wurde. Juni 2001 Einführung einer Checkliste zur Katheterinsertion, auszufüllen vom Pflegepersonal, welches Assistenzärzte bei der Insertion von Kathetern beobachtet. Den Ärzten wurde erst nach abgeschlossener Anlage eines Katheters mitgeteilt, dass ihr Hygieneverhalten während der Insertion dokumentiert wurde. November 2001 Im letzten Schritt erhielt schließlich das Pflegepersonal die Berechtigung, die Katheterinsertion abzubrechen, wenn eine Verletzung der Hygienevorschriften bei der Insertion durch den Arzt beobachtet wurde. Dieser kritische Schritt wurde erst eingeführt, nachdem den Assistenzärzten mitgeteilt worden war, dass die jeweils assistierende Pflegekraft die Insertion schriftlich dokumentierte. Bei Fehlern im Vorgehen und Uneinsichtigkeit des Assistenzarztes wurde sofort der jeweils zuständige Oberarzt mittels „Piepser” verständigt. Dezember 2001

Auf der Kontroll-Intensivstation wurden die oben genannten Hygienemaßnahmen nicht eingeführt, es ergab sich jedoch automatisch durch die Kommunikation des Personals eine verbesserte Kenntnis über die Bedeutung von katheterassoziierten Infektionen und deren Entstehung. Insgesamt wurde somit auch auf der Kontroll-Intensivstation von Ärzten und Pflegepersonal verstärkt auf die Befolgung einschlägiger Hygienevorschriften geachtet.

Während des Studienzeitraums wurden auf der Studienstation 19 905 Kathetertage gezählt, auf der Kontrollstation 17 383. Die Basisrate katheterassoziierter Septikämien lag auf der Studienstation im Jahr 1998 vor Studienbeginn bei 11,3 Episoden pro 1000 Kathetertage. Die Compliance mit den Hygienemaßnahmen war vor Studienbeginn besonders bei der Händehygiene und der sterilen Abdeckung der Patienten unbefriedigend (Tab. [2]).

Tab. 2 Compliance beim Katheterlegen vor Studienbeginn Hygienemaßnahme Einhaltung bei 26 Personen (%) Händehygiene gemäß Standard 16 (62 %) korrekte Desinfektion der Insertionsstelle 26 (100 %) sterile Abdeckung des Patienten 22 (85 %) Kopfhaube, Mund-Nasen-Schutz, steriler Kittel verwendet 24 (92 %) sterile Handschuhe verwendet 26 (100 %) steriler Verband auf Insertionsstelle 26 (100 %) alle Hygienemaßnahmen korrekt befolgt 16 (62 %)

Die Septikämierate sank während der schrittweisen Einführung des Hygieneprogramms kontinuierlich bis auf 0 pro 1000 Kathetertage im letzten Quartal des Jahres 2002. Auf der Kontrollstation lag die Basisrate bei 5,7 Episoden pro 1000 Kathetertage und sank auf 1,6 pro 1000 Kathetertage im letzten Quartal 2002 (Abb. [1]).

Abb. 1 Verlauf der Septikämieraten pro Quartal. Nur der Abfall auf der Studienstation (Chirurgische Intensivstation) war signifikant (p < 0,001).

Eine statistische Analyse ergab, dass nur der Abfall auf der Studienstation signifikant war. Auch nach Studienende konnten die niedrigen Infektionsraten auf der Studienstation gehalten werden; sie lagen im April 2004 zuletzt bei 0,54 Infektionsepisoden pro 1000 Kathetertage. Ökonomische Berechnungen auf der Basis von Referenzwerten ergaben, dass auf der Studienstation durch das Hygieneprogramm 43 Katheterseptikämien und 8 Todesfälle verhindert wurden, wodurch sich pro Jahr eine Kosteneinsparung von 1,9 Millionen USD ergab.

Literatur

  • 1 Berenholtz S M. et al . Eliminating catheter-related bloodstream infections in the intensive care unit.  Crit Care Med. 2004;  32 2014-2020
  • 2 Warren D K, Zack J E, Cox M J. et al . An educational intervention to prevent catheter-associated bloodstream infections in a nonteaching, community medical center.  Crit Care Med. 2003;  31 1959-1963
  • 3 Eggimann P, Harbarth S, Constantin M N. et al . Impact of a prevention strategy targeted at vascular-access care on incidence of infections acquired in intensive care.  Lancet. 2000;  355 1864-1868

Hardy-Thorsten Panknin

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