Viszeralchirurgie 2005; 40(4): 231-232
DOI: 10.1055/s-2005-836671
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Editorial

A. H. Hölscher1
  • 1Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie der Universität zu Köln
Further Information

Publication History

Publication Date:
13 September 2005 (online)

Die aktuellen Krebsstatistiken zeigen in den westlichen Industrieländern einen gegensätzlichen epidemiologischen Trend für die beiden Tumoren des oberen Gastrointestinaltraktes. Der Magenkrebs nimmt insgesamt ab, jedoch mit einer deutlichen topografischen Verlagerung nach oral. Der Speiseröhrenkrebs nimmt zu, aber nur durch das vermehrte Auftreten des Barrett-Karzinoms, dem sog. Typ I [15]. Die Zunahme der Kardiakarzinome (Typ II) ist geringer ausgeprägt. Durch diese Entwicklung wird der Chirurg zunehmend mit dem Adenokarzinom des gastroösophagealen Überganges konfrontiert.

In der Therapie gibt es dagegen gleichläufige Entwicklungen für beide Tumorentitäten. Beim Mukosakarzinom kommt zunehmend die endoskopische Mukosektomie zur Anwendung. Die Ergebnisse sind gut, wenn bestimmte Indikationskriterien eingehalten werden [16]. Eine Ausweitung der Indikation auf Submukosakarzinome durch sog. endoskopische submuköse Dissektion (ESD) ist in Anbetracht der Rate an Lymphknotenmetastasen auch bei Befall nur der obersten Submukosaschicht (sm1) nicht zu vertreten. Für limitierte Resektionen, wie Merendino oder laparoskopische Magenteilexzision, bleibt zur Zeit nur ein schmales Indikationsspektrum, z. B. Mukosakarzinome, die endoskopisch nicht vollständig entfernbar sind wegen zu großer Fläche oder Multifokalität im Barrett-Ösophagus.

Eine limitierte Resektion fortgeschrittener Karzinome ab T1sm und Unterlassung oder Einschränkung der Lymphadenektomie ist an eine verlässliche Vorhersage des Lymphknotenstatus gebunden. Dieses wird zur Zeit in Studien durch die Sentinel-Node-Technik sowohl beim Magenkarzinom als auch beim Ösophaguskarzinom analysiert [8] [9] [11] [12].

Der internationale Magenkarzinomkongress vom 4. bis 7. Mai 2005 in Yokohama hat jedoch gezeigt, dass die Sentinel-Node-Technik noch nicht klinisch umsetzbar ist. Auch in den prospektiven Studien wird nach Anwendung des Sentinel-Node-Mappings noch die D2-Lymphadenektomie beim Magenkarzinom ausgeführt. Sobald die große japanische Multizenterstudie dazu abgeschlossen ist (ca. in ein bis zwei Jahren) wird eine Bewertung des klinischen Einsatzes möglich sein.

Folgende Trends und Probleme zeichnen sich beim Magenkarzinom jedoch schon ab:

Die Sentinel-Node-Technik wird in erster Linie beim Frühkarzinom eine Bedeutung haben. Beim fortgeschrittenen Karzinom ist die Lymphknotenmetastasierungsrate naturgemäß hoch und die Blockierung der Lymphbahnen durch Tumorzellen schränkt die Aussagekraft sehr ein. Ein bleibendes Problem sind Mikrometastasen, die im Rahmen des Sentinel-Node-Mapping durch Schnellschnitt nur sehr schwer erfasst werden können. Da aufgrund des o. g. epidemiologischen Trends weniger Magenkarzinome auftreten und der Anteil an Magenfrühkarzinomen in Deutschland und Europa/USA gering ist, wird es schwer sein, in den westlichen Ländern große Serien hinsichtlich der Bedeutung der Sentinel-Node-Technik auszuwerten.

Die jetzt vorliegenden Spätergebnisse der prospektiv-randomisierten holländischen Studie zur Form der Lymphadenektomie beim Magenkarzinom sprechen eher für die Beibehaltung der D2-Lymphadenektomie [6] [7]. In der N2-Gruppe besteht ein deutlicher, wenn auch nicht signifikanter Trend zur Prognoseverbesserung durch D2- im Vergleich zur D1-Lymphadenektomie. Da diese Untergruppen präoperativ nicht sicher identifizierbar sind, ist die D2-Lymphadenektomie sinnvoll, sie muss jedoch mit niedriger Morbidität und Mortalität ausgeführt werden, um den o. g. Vorteil zu erreichen [8] [9].

Bei beiden Karzinomen des oberen Gastrointestinaltraktes wird die neoadjuvante Therapie bisher nur in Tumorzentren mit hohen Fallzahlen häufig angewandt. Beim Ösophaguskarzinom erfolgt mehr die Radiochemotherapie, beim Magenkarzinom die Chemotherapie. Die primäre Erwartung, dass die Induktionstherapie zu einem Down-Staging, d. h. einer wirklichen Herunterstufung des TNM-Stadiums führt, hat sich nicht bestätigt. Es kommt mehr zu einer Tumormassenreduktion einschließlich der Lymphknotenmetastasen [1].

Die Ergebnisse der vier Meta-Analysen zur neoadjuvanten Therapie des Ösophaguskarzinoms haben gezeigt [3] [5] [10] [17]:

Die postoperative Mortalität und Morbidität wird erhöht. Die Resektionsrate ist durch eine vermehrte Selektion geringer. Die R0-Resektionsrate ist höher. Die Prognoseverbesserung liegt bei etwa 5 %.

Ähnliche Resultate sind für das Magenkarzinom anzunehmen. Die Studien zur Induktionstherapie für beide Karzinome weisen auf eine signifikant bessere Prognose der Responder im Vergleich zu den Non-Respondern hin. Letztere haben durch die zeitliche Investition und mögliche Nebenwirkungen der Radio-/Chemotherapie eher Nachteile. Daher sind zunehmende Anstrengungen zur Response-Prädiktion durch Biomarker aus endoskopischen Biopsien oder PET unternommen worden. Bisher erlauben die Biomarker aus präoperativen endoskopischen Biopsien nur einen Teil der Non-Responder zu identifizieren [13] [14] [18]. PET kann jedoch erst nach kompletter neoadjuvanter Therapie oder einem ersten Abschnitt eingesetzt werden, um eine Vorhersage zu erreichen [2] [4].

Insgesamt besteht ein starker Trend zur Individualisierung der Therapie durch Verfeinerung der Diagnostik bezüglich Frühkarzinomen, Lymphknotenstatus, Sentinel-Node-Mapping und Prädiktion des Ansprechens auf Induktionstherapie. Die Molekularbiologie gewinnt dabei zunehmende Bedeutung [9].

Literatur

  • 1 Baldus S E, Mönig S P, Schröder W, Metzger R, Lang S, Zirbes T K, Thiele J, Mueller R P, Dienes H P, Hölscher A H, Schneider P M. Regression of esophageal carcinoms after neoadjuvant radiochemotherapy: criteria of the histopathological evaluation.  Pathologe. 2004;  25 421-427
  • 2 Brücher B L, Weber W, Bauer M, Fink U, Avril N, Stein H J, Werner M, Zimmermann F, Siewert J R, Schwaiger M. Neoadjuvant therapy of esophageal squamous cell carcinoma: response evaluation by positrone emission tomography.  Ann Surg. 2001;  233 300-309
  • 3 Fiorica F, DiBona D, Schepis F, Licata A, Shanied L, Venturi A, Falchi A M, Craxi A, Camma C. Preoperative chemotherapy for esophageal cancer: a systematic review and meta-analysis.  Gut. 2004;  53 925-930
  • 4 Flamen P, Cutsem E, Lerut A, Cambier J P, Haustermans K, Bormans G, De Leyn P, Raemdonck D van, de W ever, Maes A, Mortelsman L. Positrone emission tomography for assessment of the response to induction radiochemotherapy in locally advanced esophageal cancer.  Ann Oncol. 2002;  13 361-368
  • 5 Greer S E, Goodney P P, Sutton J E, Birkmeyer J D. Neoadjuvant chemotherapy for esophageal carcinoma: a meta-analysis.  Surgery. 2005;  137 172-177
  • 6 Hartgrink H H, de Velde C J, Putter H, Bonenkamp J J, Klein K E, Songun I, Welvaart K, Krieken J H, Meuer S, Plukker J T, Elk P J, Obertop H, Gouma D J, Lanschot J J van, Taat C W, de Graaf P W, Meyenfeldt M F von, Tilanus H, Sasako M. Extended lymph node dissection for gastric cancer: who may benefit? Final results of the randomized Dutch gastric cancer group trial.  J Clin Oncol. 2004;  22 2069-2077
  • 7 Hartgrink H H, de Velde C J van, Putter H, Songun I, Tesselmaar M E, Kranenbarg E K, de Vries J E, Wils J A, Der B J van, Krieken J H van. Neo-adjuvant chemotherapy for operable gastric cancer: long term results of the Dutch randomised FAMTX trial.  Eur J Surg Oncol. 2004;  30 643-649
  • 8 Hölscher A H, Mönig S P, Schneider P M, Bollschweiler E, Schröder W, Schäfer H, Metzger R, Brabender J, Collet P, Gutschow C, Wolfgarten E, Grass G. Oberer Gastrointestinaltrakt. In: Grundmann RT, Holzgreve A (Hrsg). Chirurgie 2004. Biermann, Köln 2004
  • 9 Hölscher A H, Mönig S P, Schneider P M, Bollschweiler E, Gutschow C, Schröder W, Metzger R, Brabender J, Collet P, Grass G. Oberer Gastrointestinaltrakt. In: Grundmann RT, Holzgreve A (Hrsg). Chirurgie 2005. Biermann, Köln 2005
  • 10 Kaklamanos I G. Metaanalysis on neoadjuvant radiochemotherapy of esophageal cancer.  Ann Surg Oncol. 2003;  10 754-761
  • 11 Kato H, Miyazaki T, Nakajima M, Takita J, Shoda M, Fukai Y, Masuda N, Fukuci M, Manda R, Ojima H, Tsukada K, Asao T, Kuwano H, Oriuchi N, Endo K. Sentinel lymph nodes with Technetium-99m colloidal Rhenium Sulfide in patients with esophageal carcinoma.  Cancer. 2003;  98 932-939
  • 12 Kitagawa Y, Kitajima M. Sentinel node mapping for gastric cancer: is the jury still out?.  Gastric Cancer. 2004;  7 135-137
  • 13 Metzger R, Leichmann C G, Danenberg K D. et al . ERCC1 mRNA levels complement thymidylate synthase mRNA levels in predicting response and survival for gastric cancer patients receiving combination cisplatin and fluorouracil chemotherapy.  J Clin Oncol. 1998 b;  16 309-316
  • 14 Miyazono F, Metzger R, Warnecke-Eberz U, Baldus S E, Brabener J, Bollschweiler E, Doerfler W, Mueller R P, Dienes H P, Aikou T, Hölscher A H, Schneider P M. Quantitative c erbB-2 but not c-erbB-1 mRNA expression is a promising marker to predict minor histopathologic response to neoadjuvant radiochemotherapy in esophageal cancer.  Br J Cancer. 2004;  91 666-672
  • 15 Siewert J R, Hölscher A H, Becker K, Gössner W. Kardiakarzinom: Versuch einer therapeutisch relevanten Klassifikation.  Chirurg. 1987;  58 25-32
  • 16 Schröder W, Gutschow C A, Hölscher A H. Limited resection for early esophageal cancer?.  Langenbecks Arch Surg. 2003;  388 88-94
  • 17 Urschel J D, Vasan H. A metaanalysis of randomized controlled trials that compared neoadjuvant chemoradiation and surgery to surgery alone for resectable esophageal cancer.  Am J Surg. 2002;  185 538-543
  • 18 Warnecke-Eberz U, Metzger R, Miyazono F, Baldus S E, Neiss S, Brabender J, Schaefer H, Doerfler W, Bollschweiler E, Dienes H P, Mueller R P, Danenberg P V, Hölscher A H, Schneider P M. High specificity of quantitative excision repair cross-complementing 1 messenger RNA expression for prediction of minor histopathological response to neoadjuvant radiochemotherapy in esophageal cancer.  Clin Cancer Res. 2004;  10 3794-3799

Univ.-Prof. Dr. A. H. Hölscher

Klinik und Poliklinik für Visceral- und Gefäßchirurgie der Universität zu Köln

Kerpener Str. 62

50937 Köln (Lindenthal)

Phone: 02 21/4 78 48 01

Fax: 02 21/4 78 48 43

Email: Arnulf.Hoelscher@medizin.uni-koeln.de

    >