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DOI: 10.1055/s-2004-835788
Außergewöhnlich schwere Erstmanifestation einer M. Crohn-Erkrankung der Speiseröhre – Fallvorstellung mit schwierigen Differentialdiagnosen und komplikationsreichem Verlauf
Hintergrund: M. Crohn ist mit einer Prävalenz von 50–100:100 000 eine häufige Erkrankung des Gastrointestinaltraktes. Der Hauptmanifestationsort ist das terminale Ileum, prinzipiell kann jedoch jeder Abschnitt des Magendarmtraktes befallen werden. Bei atypischer Lokalisation ist die Erstdiagnose aufgrund eines erweiterten differentialdiagnostischen Spektrums erschwert. Die Therapie ist antiinflammatorisch und immunsuppressiv, weswegen ein Ausschluss mikrobiologischer Ursachen im Vorfeld notwendig ist. Falls eine definitive Klärung nicht möglich ist, muss gegebenenfalls simultan antimikrobiell behandelt werden.
Patientenvorstellung: 08/2002 nahmen wir einen 36-jährigen männlichen Patienten wegen Dysphagie und deutlichem Gewichtsverlust auf. Gastroskopisch zeigten sich ausgeprägte, vom endoskopischen Aspekt her malignitätsverdächtige Ulzerationen des distalen Ösophagus mit Fistelung in den Magen. Trotz mehrfacher Biopsieentnahmen konnte keine Malignität nachgewiesen werden. Statt dessen fanden sich chronisch-entzündliche und ulzerierte Veränderungen. Bei anamnestisch aktiver Tuberkulose 1987 dachten wir zunächst an eine Reaktivierung. Dies war jedoch aufgrund negativer PCR für mykobakterielle DNA sehr unwahrscheinlich. Auch eine Infektion mit HSV, CMV, HIV und Candida-Spezies konnte nicht nachgewiesen werden. Als der Patient im Verlauf eine Aphthe im Mundbereich entwickelte, wurde schließlich ein M. Crohn in die Differentialdiagnose mit einbezogen. Daraufhin führten wir trotz fehlender Diarrhoe und abdominalen Schmerzen eine Koloskopie durch, die eine Ulzeration der BAUHIN'schen Klappe sowie fibrinbelegte Läsionen im terminalen Ileum zeigte. Der histologische Befund war auf einen M. Crohn hinweisend.
Verlauf: Auf diesen Befund hin begannen wir eine Therapie mit 5-Aminosalicysäure (5-ASA) und Steroiden, später auch Anwendung von Azathioprin (AZT). Wegen der Immunsuppression erfolgte die TB-Rezidivprophylaxe mit Isoniazid (INH) 300mg/die. Der sich anschließende Verlauf war komplikationsreich und führte zu wiederholten stationären Aufenthalten: Im Vordergrund standen rezidivierende Soorösophagitiden, die eine antimykotische Behandlung nötig machten. Es kam zu einer steroidinduzierten Osteoporose mit LWK-Frakturen trotz Prophylaxe mit Vitamin D3 und Calcium. Bei fortschreitender Kachexie (46kg/176cm), die zusätzlich zu einem A.-mesenterica-superior-Syndrom führte, wurde eine parenterale Ernährung notwendig. Als Komplikation entwickelte sich eine Jugularvenenthrombose, so dass eine Antikoagulation indiziert war. Für die weiterhin ausbleibende Besserung der Dysphagie war die persistierende ösophagogastrale Fistel mit ausgeprägtem Reflux verantwortlich. Daher entschlossen wir uns bei nochmaliger Gewichtsabnahme ¼ zu einer Therapie mit Infliximab in einer Dosierung von 5mg/kg KG unter Fortführung der TB-Rezidivprophylaxe als ultima ratio. Hiermit war eine subjektive und endoskopische Besserung zu erreichen.
Schlussfolgerung: Der hier präsentierte Fall zeigt, dass die atypische Lokalisation eines M. Crohn bei nicht eindeutiger Histologie die Diagnose erschwert und verzögert. Bei Verdacht auf einen M. Crohn mit atypischer Manifestation sollte eine Koloskopie durchgeführt werden, auch wenn das klinische Erscheinungsbild eine typische Symptomatik vermissen lässt. Erst nach Ausschluss maligner und infektiöser Erkrankungen kann die immunsuppressive Therapie begonnen werden. An dem hier dargestellten Fall wird deutlich, dass die Therapie nebenwirkungsreich ist und ausgeprägte Komplikationen die Folge sein können. Dies ist wichtig, da der Einsatz weiterer Pharmaka und zusätzliche stationäre Aufenthalte neben einer Mehrbelastung des Patienten auch eine Kostenintesivierung bedingen. Die Indikation zur Therapie mit Infliximab muss im Einzelfall und mit Rücksicht auf die entsprechende Anamnese und den Verlauf gestellt werden. Wie hier gezeigt, können dann auch prophylaktische Maßnahmen erforderlich werden. Der Behandlungserfolg zeigt jedoch die Berechtigung dieser Therapie unter entsprechenden Kautelen.