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DOI: 10.1055/s-2004-835235
Fallstudie: Antibiotika in der Palliativmedizin
Infektionen sind häufige Begleiterkrankungen bei Patienten mit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen oder anderen unheilbaren Erkrankungen. Die Behandlung mit Antibiotika ist eine Routinemaßnahme, und für die meisten Infektionen liegen zahlreiche Studien zu Indikation und Outcome-Kriterien sowie Richtlinien und Standards vor. In der Palliativmedizin existieren dagegen keine spezifischen Richtlinien zum Infektionsmanagement und zur Entscheidungsfindung. In klinischen Studien wurden bei 40% bis ca. 55% der Patienten mit weit fortgeschrittenen Tumorerkrankungen Infektionen nachgewiesen. Harnwegsinfekte und pulmonale Infekte sind dabei die häufigsten Infektionsarten. In einigen Studien wird der Einsatz von Antibiotika bei Palliativpatienten im Endstadium der Erkrankung als wenig sinnvoll oder aggressive Maßnahme in der Palliativmedizin beurteilt, während in anderen Studien Antibiotika als Teil der Symptomkontrolle in der Palliativmedizin für erforderlich gehalten werden.
In einer von der Deutschen Krebshilfe geförderten Studie wird der Einsatz von Antibiotika in der Palliativmedizin in mehreren qualitativen und quantitativen Teilprojekten untersucht. Die Einstellungen zur antibiotischen Therapie des Palliativteams und die Umsetzung in die klinische Praxis sollen beispielhaft für Therapieplanung und Absprachen über den Verzicht auf Maßnahmen in der Palliativmedizin in Deutschland untersucht werden. Im Rahmen dieses mehrstufigen Forschungsprojektes trat im November 2003 eine Expertengruppe mit Teilnehmern aus Deutschland und Österreich zu einer Fokusgruppe zusammen. Ziel dieser Fokusgruppe war es anhand ausgewählter Fallbeispiele Problembereiche zu identifizieren, das eigene Vorgehen zu reflektieren, Hypothesen zum Einsatz von Antibiotika in der Palliativmedizin zu generieren und für einen Fragebogen hypothetische Fallbeispiele zu entwickeln. Insgesamt wurden sechs palliativmedizinische Fälle in der Fokusgruppe vorgestellt und diskutiert. Hierbei wurden als Indikationen zur antibiotischen Therapie infektiöse Pneumonie, Aspirationspneumonie, Harnwegsinfekt, Sepsis, Prophylaxe einer Katheterinfektion und eine Hautinfektion genannt.
Anhand dieser Fallbeispiele konnten unter anderen die folgenden Problembereiche identifiziert werden: Unsicherheit in der Diagnostik durch Verzicht auf belastende Untersuchungsmethoden, Absprache der Therapieziele mit Patienten, juristische Unsicherheit bezüglich Verzichtsentscheidungen und das Fehlen einheitlicher empirischer Outcome-Kriterien. Der Verlauf der Diskussion zeigte die Unterschiede in den Einstellungen und Bewertungen zur antibiotischen Therapie und verdeutlichte so die Notwendigkeit einer eingehenderen Untersuchung der zugrunde liegenden Entscheidungsprozesse und der Umsetzung in der klinischen Praxis. Die in der Fokusgruppe entwickelten Fallvignetten werden in einer zurzeit laufenden Befragung eingesetzt.