Viszeralchirurgie 2004; 39 - 17
DOI: 10.1055/s-2004-835093

Gastroduodenale Ulcusblutung – Objektivierung der Forrestklassifikation durch Doppler-Sonographie?

KE Grund 1
  • 1Chirurgische Endoskopie, Klinik für Allgemeine Chirurgie, Universitäts-Klinikum Tübingen

Einleitung:

Die obere Gastrointestinalblutung mit ihrer Hauptquelle, nämlich peptischen Ulcera im Magen und Duodenum, stellt immer noch – trotz der Möglichkeit medikamentöser Säureblockade, trotz Fortschreiten bei der Operationstechnik und in der Intensivmedizin – ein ungelöstes klinisches Problem dar. Die Rezidivblutungsrate solcher Läsionen v.a. der Klassifikation Forrest 1 und Forrest 2 ist nach wie vor sehr hoch (bis 60%), die therapeutischen Strategien hängen entscheidend von der Klassifikation des Ulcus nach Forrest ab, da Rezidivblutungsrate und Letalität mit dieser Einteilung korrelieren. Leider zeigen entsprechende Untersuchungen, dass für die Forrestklassifikation die Interobserver-Variabilität, ja sogar die Intraobserver-Variabilität sehr hoch ist und zwischen 30 und 50% liegt. Das heißt übertragen auf die Entscheidungssituation, dass die Sicherheit der Klassifikation quasi dem Zufallsprinzip unterliegt und genauso durch Würfeln bestimmt werden könnte.

Methodik:

Es wurde deshalb versucht, durch objektive Messverfahren die diagnostische Sicherheit und damit die richtige therapeutische Zuordnung zu verbessern. Naheliegendes Instrument dazu ist die Doppler-Sonographie, die prinzipiell auch endoskopisch einsetzbar ist, und eine Objektivierung des Gefäßverlaufes und weiterer Parameter ermöglichen könnte.

Es wurden in einer aufwendigen technischen Entwicklung zunächst die technischen Voraussetzungen geschaffen, um die Doppler-Sonographie auch klinisch in der Routine-Endoskopie anwenden zu können, und dann in einer klinischen Vergleichsstudie untersucht, inwieweit die Doppler-Messungen mit der subjektiven Forrestklassifikation korrelieren und inwieweit sich aus den Doppler-Messungen klinische Konsequenzen ergeben.

Ergebnisse:

Zunächst wurde zwischen 1984 und 2001 eine komplette Neuentwicklung des Doppler-Gerätes und der durch das Endoskop zu applizierenden Doppler-Sonden vorgenommen. Im Ergebnis wurde ein spezifisch auf die Endoskopie zugeschnittenes System etabliert, das die Multi-Range-Gate-Technik konsequent anwendet und dadurch eine ergonomisch sinnvolle Untersuchung auch im klinischen Routinebetrieb ermöglicht. Verschiedenste technische Details wurden auf Ergonomie in der praktischen Endoskopie hin optimiert und ein für die Serienfertigung tauglicher Prototyp realisiert.

Die Gerätschaft wurde von 11/93 bis=3/03 bei 887 Untersuchungen an 498 Patienten systematisch erprobt (Ulcera (n=345), Varizen (n=284), Polypen (n=94), Angiodysplasien (n=90), andere (n=74)). Bezogen auf die Ulcera zeigte sich eine subjektiv/optische Fehlinterpretation der Ulcera bei ca. einem Drittel der F2a-Fälle (optisch fälschlich Gefäßstumpf vermutet). Entscheidender ist jedoch eine Fehlbeurteilung von ca. einem Fünftel der F3-Läsionen, wo optisch das vorhandene und nah am Ulcusgrund liegende arterielle Gefäß nicht gesehen wurde.

Durch den Einsatz des endoskopischen Dopplers konnte die Rezidivblutungsrate in der Pilotstudie (n=221) von 10 auf 4,5%, die Operationsfrequenz von 8 auf 3,6% und die Letalität von 5 auf 2,3% gesenkt werden. Bei der weiteren kontrolliert / prospektiven Anwendung im Routinebetrieb (n=112 von 1/00 bis 01/03) konnte der Nutzen für die Beurteilung des Ulcus und den Verlauf des Patienten ebenfalls bestätigt werden.

Diskussion:

In Anbetracht der immer noch problematischen Situation mit Diagnostik und Therapie von gastroduodenalen Ulcusblutungen kann gezeigt werden, dass der Einsatz der Doppler-Sonographie folgende relevante Fragen zuverlässig klären kann:

  • Ist im Ulcusgrund überhaupt ein Gefäß vorhanden?

  • Handelt es sich um eine Arterie, eine Vene oder eine arteriovenöse Konfiguration?

  • Wie tief liegt die Läsion unter der Oberfläche?

  • Welchen Durchmesser hat sie?

  • Wie ist das Strömungsmuster?

Anhand der doppler-sonographischen Ergebnissen lassen sich diese Fragen auf objektiver Grundlage beantworten und damit die therapeutische Vorgehensweise (endoskopische Therapie? operative Therapie? konservatives Abwarten?) optimieren. Die inakzeptabel hohe Interobserver-Variabilität und auch Intraobserver-Variabilität lässt sich damit effektiv kompensieren, die subjektive Einschätzung kann durch objektive Kriterien gestützt bzw. ersetzt werden.

Die Objektivierung des Gefäßstatus im Ulcusgrund durch die Doppler-Sonographie ist eine sehr sinnvolle Zusatzuntersuchung bei gastroduodenaler Ulcusblutung und verbessert die Ergebnisse der Therapie entscheidend; auch die Möglichkeiten der interventionellen endoskopischen Therapie werden damit auf eine objektive Grundlage gehoben und erhalten einen neuen Stellenwert gegenüber den operativen Verfahren und konservativen Behandlungskonzepten.