Klinische Neurophysiologie 2004; 35(4): 223
DOI: 10.1055/s-2004-834572
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Neurologische Schmerzerkrankungen

Pain Disorders in NeurologyS.  Evers, E.-B.  Ringelstein
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Publication Date:
06 December 2004 (online)

In diesem Themenheft der Klinischen Neurophysiologie geht es um ein bislang wenig beachtetes Thema, nämlich den Einsatz neurophysiologischer Verfahren in der Diagnostik und Grundlagenforschung von Schmerzerkrankungen. Jüngere Studien haben gezeigt, dass schmerzphysiologische Prozesse und auch der Verlauf des Schmerzempfindens mithilfe verschiedener Verfahren der klinischen Neurophysiologie dargestellt werden können. Dabei konnten neue Einblicke und die Pathophysiologie von Schmerzerkrankungen, aber auch des allgemeinen Schmerzempfindens gewonnen werden. Daher wird hier eine exemplarische Zusammenstellung von Übersichtsarbeiten vorgelegt, die sich mit genau dieser Fragestellung beschäftigen.

In der Arbeit von Wieser (Wien) geht es um die neurophysiologische Darstellung der Okulomotorik von Patienten mit Migräne. Die nachgewiesenen Störungen der Augenfolgebewegungen lassen Rückschlüsse auf die Pathomechanismen bestimmter Hirnstammverschaltungen bei Migräne zu. Ähnlich zeigt die Arbeit von Evers (Münster), wie mit Hilfe von ereigniskorrelierten Potenzialen spezifische Befunde bei idiopathischen Kopfschmerzerkrankungen für die Diagnostik und für das Monitoring herangezogen werden können. Auch hier lassen die neurophysiologischen Untersuchungen Rückschlüsse auf die Pathophysiologie einer Schmerzerkrankung zu, nämlich auf das Phänomen der fehlenden kognitiven Habituation bei Migräne.

Mit einer neuen methodischen Fragestellung im Bereich der Schmerzforschung beschäftigt sich die Arbeitsgruppe der Abteilung für Klinische Neurophysiologie in Göttingen. Hier werden verschiedene Verfahren der externen kortikalen Stimulation (z. B. mittels transkranieller Magnetstimulation oder mittels Gleichstromstimulation) zur Erforschung von physiologischen Prozessen der Schmerzverarbeitung und gleichzeitig auch zur Erforschung neuer Ansätze in der Therapie chronischer Schmerzen eingesetzt.

Klinischer orientiert sind die Arbeiten von Frese und Ringelstein (Münster), von Förderreuther (München) und von Young und Kuhlenbäumer (Münster). Hier geht es um verschiedene Schmerzsyndrome, die immer auch zur weiteren differenzialdiagnostischen Klärung neurophysiologische Untersuchungen erfordern. So muss beim zentralen Deafferenzierungsschmerz (Frese und Ringelstein) abgegrenzt werden, welche neuropathischen Veränderungen zur Schmerzentstehung beitragen. Ebenso ist beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom (CRPS) eine genaue Untersuchung der peripheren Nervenfunktionen unerlässlich zur genauen Beurteilung der Ätiologie der Schmerzen (Förderreuther). In der Diagnose der neuralgischen Schulteramyotrophie (Young) stellt die Untersuchung der peripheren Nervenfunktionen des Arms sogar die entscheidende Methode zur Diagnosestellung und damit zur adäquaten Therapieeinleitung dar. In all diesen klinischen Arbeiten werden auch konkrete Empfehlungen für die Therapie dieser Schmerzerkrankungen gegeben.

Die Herausgeber hoffen, mit diesem Themenheft einen kleinen Beitrag dazu zu leisten, dass die neurophysiologische Forschung zur Pathophysiologie und Therapie neurologischer Schmerzerkrankungen weiter intensiviert wird.

Münster im November 2004
Stefan Evers
E.-Bernd Ringelstein

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