Gesundheitswesen 2004; 66 - 205
DOI: 10.1055/s-2004-833943

Frauenerwerbstätigkeit, Gesundheitsschutz und Emanzipation: Das Gesetz für Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau in der DDR (1950)

S Schleiermacher 1
  • 1Forschungsstelle Zeitgeschichte, IGM, Zentrum für Human- und Gesundheitswissenschaften der Berliner Hochschulmedizin Charité

1950 wurde das „Gesetz für Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ in der DDR verabschiedet. Bereits kurz nach Kriegsende waren in den Direktiven der Sowjetischen Militäradministration die Weichen für eine fast uneingeschränkte Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt entsprechend der Forderung der Arbeiterbewegung gestellt worden. Sie beinhaltete u.a. die Ineinssetzung weiblicher Erwerbstätigkeit und Emanzipation. Im Gesetz wurde darüber hinaus erstmalig auch der Gesundheitsschutz von Frauen am Arbeitsplatz geregelt.

In der Untersuchung sollen die medizinischen, wirtschaftlichen und politischen Begründungen von Seiten der Besatzungsbehörden, der Gewerkschaft, der Sozialhygieniker wie auch der Frauen im Vorfeld der Entstehung des Gesetzes aufgezeigt werden, die zu einer Amalgamisierung gesellschaftlicher Vorstellungen von der Rolle der Frau in der DDR-Gesellschaft mit gesundheitspolitischen Zielsetzungen führte.

Methodisch erfolgte die Arbeit aufgrund eines historisch-kritischen Quellenstudiums und einer Diskursanalyse.

In dem Gesetz waren Erwerbstätigkeit und Gesundheitsschutz miteinander verwoben. Das Modell des Gesundheitsschutzes wird deutlich in den gesetzlichen und betrieblichen Maßnahmen für den Frauen-, Mutter- und Kinderschutz. Alle Frauen, die einer beruflichen Tätigkeit nachgingen, sollten demnach die besonderen Angebote, die aus medizinischer Sicht für die Gesunderhaltung der Frau notwendig schienen, über den betrieblichen Gesundheitsschutz in Anspruch nehmen können. Die gleichberechtigte Integration der Frau in den allgemeinen Arbeitsprozess, die durch die Bereitstellung von Qualifizierungsmöglichkeiten für Frauen sowie die Errichtung eines Netzes sozialer Einrichtungen zu ihrer Entlastung gewährleistet werden sollte, wurde somit zur ersten Voraussetzung für die Gleichstellungspolitik als bewusster gesellschaftspolitischer Entscheidung. Neben dieser politischen Zielsetzung war die Mobilisierung der Frauen für eine Erwerbstätigkeit nach 1945 auch aus wirtschaftlichen Gründen geboten, da als Folge des Krieges zu wenige Männer für die erforderliche Arbeitsleistung vorhanden waren. Ohne die Arbeit von Frauen, die schon in der Kriegswirtschaft des Nationalsozialismus in vielen Bereichen Tätigkeiten von Männern übernommen hatten, konnte ein Wiederaufbau nicht durchgeführt werden. Bereits 1947 waren die männlichen „Arbeitskraftreserven“ erschöpft, so dass Frauen nicht nur vermehrt in den Arbeitsprozess eingebunden werden sollten, sondern auch deren Integration in männliche Tätigkeitsfelder notwendig schien.