Gesundheitswesen 2004; 66 - 79
DOI: 10.1055/s-2004-833817

Analyse der Sozialschichtabhängigkeit von Risikofaktoren beim plötzlichen Säuglingstod

M Dreier 1, M Schlaud 1, 2, M Vennemann 3
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung
  • 2Robert-Koch-Institut Berlin, Abteilung für Epidemiologie und Gesundheitsberichterstattung
  • 3Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Institut für Epidemiologie und Sozialmedizin

Hintergrund: Der plötzliche Säuglingstod (SIDS) hat eine multifaktorielle Genese. Zu den wichtigsten der zahlreichen Risikofaktoren zählen u.a. ein niedriger sozioökonomischer Status, die Schlafposition in Bauchlage und mütterliches Rauchen. Ziel: Untersuchung der Verteilung von Risikofaktoren für SIDS in Abh. von der sozialen Schichtzugehörigkeit bei SIDS-Fällen und Kontrollen. Methoden: Daten der deutschen Studie „Plötzlicher Säuglingstod“, erhoben 1998 bis 2001 in einem nach Alter, Region und Geschlecht im Verhältnis 1:3 gematchten Fall-Kontroll-Design. Fälle: n=328, Kontrollen: n=983. Bestimmung der Schichtzugehörigkeit nach dem Scheuch-Winkler-Index. Untersuchung auf Zusammenhänge mit SIDS und seinen Risikofaktoren mittels Häufigkeitsverteilungen und log. Regressionsanalyse. Gewichtung der Schichtzugehörigkeit, um eine repräsentative Schichtverteilung bei den Kontrollen zu erhalten. Ergebnisse: 50,9% der Fälle stammen aus der Unterschicht. Mit niedrigerer Sozialschicht nahm die Prävalenz der RF bei den Fällen und auch bei den Kontrollen zu. Bei den Kontrollen rauchten 54% der Mütter der Unterschicht gegenüber 11% der Oberschicht (Fälle: 83 vs. 11%), auf den Bauch gelegt wurden 15% der Säuglinge der Kontrollen in der Unterschicht, während es in der Oberschicht nur 2% waren (Fälle: 47 vs. 22%). Das OR für SIDS der Unterschicht gegenüber der Oberschicht beträgt 10,5 (95%CI: 6,9–15,9), nach Adjustierung für SIDS-Risikofaktoren weist die Unterschicht kein erhöhtes SIDS-Risiko mehr auf (OR: 1,2; 95%CI:0,6–2,3). Diskussion: Eine niedrige Schichtzugehörigkeit ist ein bedeutsamer Risikofaktor für SIDS, der durch die Schichtabhängigkeit von SIDS-Risikofaktoren zu erklären ist. Schlussfolgerungen: Die unterste soziale Schicht zeigt eine höhere Prävalenz bekannter RF für SIDS, die insbesondere risikoreiches gesundheitsrelevantes Verhalten widerspiegeln, so dass in dieser Population noch ein wesentliches Präventionspotenzial besteht.