Gesundheitswesen 2004; 66 - 71
DOI: 10.1055/s-2004-833809

Die gesundheitliche Situation lesbischer Frauen in Deutschland – Ergebnisse einer Befragung

G Dennert 1, H Drexler 2, R Wrbitzky 3
  • 1Arbeitsgruppe biologische Krebstherapie, Medizinische Klinik 5, Nürnberg
  • 2Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • 3Institut für Arbeitsmedizin, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund: Frauen stellen keine homogene Gruppe in der Gesellschaft dar, sondern unterscheiden sich von einander in Lebensweise und gesundheitlichen Faktoren. Die spezifische Situation lesbischer Frauen in der Gesundheitsversorgung in Deutschland wird bisher kaum thematisiert. Internationale Forschung geht davon aus, dass sexuelle Orientierung und Lebensweise Einflussfaktoren auf die Gesundheit von Frauen darstellen. Für Deutschland lagen bislang keine Daten vor. Ziel der Untersuchung war die erstmalige Erhebung von Daten über die gesundheitliche Lage lesbischer Frauen in Deutschland sowie die Generierung von Hypothesen zu diesem Themenkomplex. Methoden: Es wurde eine Fragebogenerhebung an einem convenient sample lesbischer Frauen auf einem Veranstaltungswochenende 1999 durchgeführt. Die Ergebnisse wurden mit deskriptiver Statistik dargestellt und in Gegenüberstellung zu Gesundheitsdaten der weiblichen Allgemeinbevölkerung sowie internationaler Lesbenstudien diskutiert; innerhalb der Stichprobe wurden Subgruppenanalysen durchgeführt. (Eine Repräsentativität der Ergebnisse besteht nicht.) Ergebnisse und Diskussion: Die 578 Teilnehmerinnen sind heterogen bzgl. Alter, Wohnort, Migrationserfahrung, Behinderung, finanzieller und beruflicher Situation. Die Hälfte verbirgt ihre Lebensweise gegenüber Ärztinnen und Ärzten. Jede Siebte gibt Diskriminierungserfahrungen mit Ärztinnen/Ärzten an. In einigen Aspekten des Gesundheitsverhaltens ergeben sich Hinweise auf ein erhöhtes Risikoverhalten (Lebenszeitprävalenz des Rauchens, Alkoholkonsum junger Frauen), auf ein differierendes Gesundheitsverhalten (vermehrte Nutzung von Alternativmedizin/ Psychotherapie/HIV-Test) und lesbenspezifische gesundheitsrelevante Ressourcen (soziale Netzwerke, Informationsquellen). Schlussfolgerungen: Sexuelle Orientierung und Lebensweise müssen als Einflussfaktoren auf Gesundheit und Gesundheitshandeln von Frauen berücksichtigt und weiter untersucht werden. Das Wahrnehmen und Sichtbarmachen lesbischer Frauen in der medizinischen Forschung und der Gesundheitsversorgung stellt einen Schritt zur Verbesserung der Versorgung lesbischer Frauen dar.