Die akute disseminierte Enzephalomyelitis (ADEM) ist eine akute monophasische, demyelinisierte
Entzündung des ZNS. Wir beschreiben zwei Fälle von ADEM des Hirnstammes mit vergleichbaren
Läsionen, aber unterschiedlichem Verlauf.
Fall 1: Ein 29-jähriger Zimmermann wurde wegen akuter Kopfschmerzen und leichter Nackensteifigkeit
aufgenommen. Die Zellzahl im Liquor war auf 400 Zellen/µl erhöht, das CCT war unauffällig.
Eine antibiotische Therapie wurde eingeleitet. Am Folgetag musste der Patient aufgrund
einer Vigilanzstörung und generalisierter epileptischer Anfällen intubiert werden.
Die FLAIR zeigte Signalintensitäten von der Medulla oblongata bis zum Mesencephalon
reichend; DWI und ADC zeigten keine Auffälligkeiten. Die Zellzahl im Liquor war nun
auf 886 Zellen/µl erhöht. Erreger, paraneoplastische Autoantikörper oder eine rheumatische
Erkrankung wurden nicht nachgewiesen. Nach zusätzlicher Therapie mit Methylprednisolon
konnte der Patient am Tag 16 extubiert werden und zeigte am Tag 18 keine neurologischen
Defizite. Die Signalintensitäten im MRT waren nach 18 Tagen bis auf Residuen in den
Kleinhirnstielen rückläufig.
Fall 2: Eine 22-jährige Patientin wurde morgens komatös vorgefunden, nachdem sie am
Abend vorher über Übelkeit und Kopfschmerz geklagt hatte. Sie musste aufgrund abgeschwächter
Schutzreflexe intubiert werden. Die FLAIR zeigte eine symmetrische Beteiligung des
gesamten Hirnstamms, aber auch Signalintensitäten in der DWI und verminderte ADC-Werte.
Die Zellzahl im Liquor war auf 117 Zellen/µl erhöht. Auch hier wurde keine infektiöse,
paraneoplastische oder rheumatologische Ursache nachgewiesen. Die entzündlichen Läsionen
waren trotz intensiver immunsuppressiver Therapie (Methylprednisolon, Immunadsorption,
Cyclophosphamid) rasch progredient. Die Patientin entwickelte ein Locked-In-Syndrom.
Diskussion: Nach Ausschluss einer infektiösen, paraneoplastischen oder rheumatologischen Ursache
der Hirnstammenzephalitis wurde in beiden Fällen die Diagnose ADEM des Hirnstammes
gestellt. Im Vergleich beider Fälle fällt auf, dass beide Verläufe bei ähnlicher Verteilung
der initial betroffenen Gebiete sich bereits am Aufnahmetag anhand der ADC unterscheiden
lassen. Die erniedrigten ADC-Werte im Fall 2 gehen einher mit einer schlechten Restitution
trotz schneller und intensiver Immunsuppression. Eine ADC-Minderung entspricht einer
Zellschädigung und scheint in diesen Fällen eine irreversible Gewebeschädigung und
damit eine schlechte Prognose anzuzeigen.