Einleitung: Die isolierte hypertensive Leukencephalopathie des Hirnstamms stellt eine Sonderform
der reversiblen posterioren Leukencephalopathie dar. In 21% aller hypertensiver Notfälle
treten neurologische Defizite auf, wobei die hypertensive Leukencephalopathie ca.
16% aller End-Organ Schäden ausmacht. Als Ursache wird eine Erschöpfung des cerebralen
Autoregulationssystems mit anschließendem vasogenen Ödem und der Freisetzung von vasoaktiven
Stoffen gesehen, ausgelöst durch den plötzlichen Anstieg des systemischen Blutdruckes.
Die Symptomatik ist bei richtiger antihypertensiver Therapie meist reversibel.
Fallbeschreibung: Die 43 jährige Patientin klagte bei Aufnahme seit bereits 6 Tagen über Sehstörungen
besonders des rechten Auges in Form eines subjektiv empfundenen Schattensehens. Es
bestanden jedoch zu keiner Zeit Kopfschmerzen oder Bewusstseinsbeeinträchtigungen.
In der neurologischen Untersuchung ließen sich außer einem deutlichen Visusverlustes
keine weiteren neurologischen Ausfälle feststellen. In der auswärtigen augenärztlichen
Untersuchung war eine Stauungspapille rechts größer als links aufgefallen. Relevante
Vorerkrankungen waren bei der Patientin nicht bekannt. Die Patientin wies zunächst
intermittierend, dann dauerhaft, nach eigenen Angaben erstmalig in ihrer bisherigen
Krankengeschichte, hypertone Blutdruckwerte von bis zu 260/120mmHg auf. In den FLAIR
und T2-gewichteten Sequenzen der Kernspintomographie sieht man eine ausgeprägte hyperintense
Veränderung des gesamten Pons und in geringer auch der Medulla oblongata. Die beschriebenen
Läsionen nahmen kein Kontrastmittel auf. Eine Ursache für die hypertensive Entgleisung
der Patientin wurde trotz intensiver Suche nicht gefunden. Sie wurde unter dem Verdacht
einer essentiellen Hypertonie mit einer antihypertensiven Kombinationstherapie eingestellt.
Mit der Stabilisierung des Blutdruckes ging auch der Rückgang der neurologischen Symptomatik
einher. In der 3 Wochen später durchgeführten Kontrollbildgebung waren die oben beschriebenen
Veränderungen weitgehend verschwunden.
Zusammenfassung: Eine deutliche Diskrepanz zwischen ausgeprägten kernspintomographisch in T2WI oder
FLAIR darstellbaren hyperintensen Läsionen des Pons und der Medulla oblongata und
geringen Defiziten in der neurologischen Untersuchung in Zusammenhang mit einer hypertensiven
Entgleisung sollte Anlass geben, eine reversible hypertensive Leukencephalopathie
des Hirnstamms in die Differentialdiagnose mit einzubeziehen.