Einleitung: Die neurologischen Manifestationen eines Vitamin B12 Mangels beinhalten in der Regel
funikuläre Myelose, peripherere Neuropathie und in einigen Fällen Pyramidenbahnläsionen
und psychiatrischen Erkrankungen.
Fallbericht: Eine 39-jährige Patientin, langjährig wegen Schizophrenie mit prädominanter Negativsymptomatik
in psychiatrischer Behandlung, entwickelte innerhalb von 2 Wochen eine Gangstörung,
ungerichteten Schwindel und Missempfindungen der Hände. Der Aufnahmebefund beinhaltete
eine Paraparese, bilateral positiven Palmomentalreflex, verminderte Beineigenreflexe
bei positivem Babinski-Zeichen, ein breitbasiges Stand- und Gangbild mit positivem
Romberg-Test sowie eine Pallhypästhesie der unteren Extremitäten ohne weitere Sensibilitätsstörungen.
Das Labor ergab ein erniedrigtes Serum-Cobalamin (114 pmol/l, Normalwert: 145–637
pmol/l) und erhöhtes MCV (104 fl, Normalwert: 80–96). Ein Schilling-Test zeigte eine
normale Vitamin B12-Resorption. Antikörper gegen Intrinsic Factor und Parietalzellen waren negativ. Die
Liquoranalyse ergab bei normaler Zellzahl ein stark erhöhtes Protein (175mg/dl) bei
erhöhtem Liquor/Serum Albumin Quotienten. SEPs des N.tibialis ergaben eine minimal
verzögerte P40-Latenz, die Medianus-SEP waren unauffällig. Die Neurographie von N.
tibialis, N. peronaeus und N. suralis ergab unauffällige Befunde. Die transkranielle
Magnetstimulation zeigte deutlich verlängerte zentral motorische Latenzen zu allen
Extremitäten. Im cranialen MRT stellte sich eine ausgedehnte symmetrische paraventrikuläre
Leukoenzephalopathie unter Aussparung der U-Fasern auf T2- und FLAIR-Sequenzen dar.
Ein spinales MRT war unauffällig.
Wir begannen probatorisch eine Substitution von täglich Cytobion 1000mg s.c und Folat
10mg p.o. als einzige Therapie. Nach 3 Wochen zeigte sich eine signifikante Verminderung
der Paraparese, und der Gang wurde sicherer. Analog wies ein erneutes kranielles MRT
nach 4 Monaten der Behandlung eine deutliche Regression der Leukoenzephalopathie nach.
Zusammenfassung: Bei diesem Fall von Vitamin B12 Mangel entwickelte sich eine ausgeprägte Leukoenzephalopathie
auch ohne neurophysiologisch messbare Beteiligung von peripheren Nerven oder Myelon.
Daher muss auch bei dem Befund einer isolierte Leukoenzephalopathie ein Vitamin B12
Mangel in Betracht gezogen werden, zumal eine rasche Substitutionstherapie, wie dieser
Fall zeigt, zu positiven Therapieergebnissen führen kann.
Abb. 1: Obere Reihe: T2 FLAIR vor Vit. B12-Substitution Untere Reihe: T2 FLAIR 4 Monate nach Therapiebeginn