Klinische Neurophysiologie 2004; 35 - 4
DOI: 10.1055/s-2004-831916

Genotyp-Phänotyp Korrelationen bei heterozygoten BSCL2 Mutationen

M Auer-Grumbach 1, B Schlotter-Weigel 2, H Lochmüller 3, G Strobl-Wildemann 4, P Auer-Grumbach 5, K Wagner 6, C Windpassinger 7
  • 1Graz
  • 2München
  • 3München
  • 4München
  • 5Feldbach
  • 6Graz
  • 7Graz

Mutationen im BSCL2 Gen (Seipin) sind eine der Ursachen für die autosomal rezessiv vererbte kongenitale Lipodystrophie (Beradinelli-Seip Syndrom). Kürzlich konnten wir zeigen, dass heterozygote Missense Mutationen (N88S, S90L) im BSCL2 Gen eine autosomal dominant vererbte distale hereditäre motorische Neuropathie und ein Silver Syndrom verursachen können. Hier berichten wir die phänotypischen Besonderheiten bei N88S Mutationen, beobachtet in einer großen Österreichischen, die 13 Generationen umfasst, und in zwei nicht verwandten Deutschen Familien. In dieser Studie inkludierten wir 90 Individuen mit N88S BSCL2 Mutation. Die phänotypische Variabilität war sehr hoch und führte zu einer Klassifikation in 6 Subtypen anhand der klinischen und elektrophysiologischen Veränderungen. Bei 4 Individuen (4.5%) war die Erkrankung nicht penetrant. Achtzehn Personen (20%) waren subklinisch betroffen und konnten manchmal nur anhand der elektrophysiologischen Veränderungen diagnostiziert werden. Ein dHMN Typ V Phänotyp, der durch deutliche, oft einseitige Atrophie und Schwäche der kleinen Handmuskulatur charakterisiert ist, wurde bei 28 Patienten (31%) gefunden, während 13 Betroffene (14.5%) ein Silver Syndrom zeigten, beim dem sich zusätzlich zum Muskelschwund in den Händen auch ein spastisches Gangbild findet. Darüberhinaus zeigten 18 Patienten (20%) einen Charcot-Marie-Tooth Phänotyp und weitere 9 Individuen (10%) das Bild einer reinen oder komplizierten hereditären spastischen Spinalparalyse. Die elektrophysiologischen Untersuchungen zeigten häufig Abweichungen der motorischen Nervenleitgeschwindigkeiten (NLG), während die sensiblen NLGs meist im Normbereich waren. In Korrelation mit den klinischen Veränderungen war der N. medianus meist deutlicher betroffen als der N. ulnaris. An den unteren Extremitäten fanden sich bei primär axonaler Neuropathie auch oft Zeichen einer zusätzlichen Demyelinisierung. Unsere Studie zeigt, dass die dominante N88S BSCL2 Mutation zu einem breiten Spektrum an Phänotypen einer Motoneuronerkrankung führt, die bei der genetischen Diagnostik berücksichtigt werden sollten.