Z Gastroenterol 2004; 42 - P039
DOI: 10.1055/s-2004-831493

Veränderte cerebrale Aktivierungsmuster im limbischen System nach akustischer Stimulation bei Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) deuten auf generalisierte Alterationen der emotionalen Reizverabeitung hin

V Andresen 1, C Tsrouya 1, D Bach 1, A Poellinger 2, A Foerschler 3, A Stroh 2, P Georgiewa 4, K Fach 1, M Schmidtmann 4, I van der Voort 1, E Osmanoglou 1, B Wiedenmann 1, C Zimmer 3, B Klapp 4, H Mönnikes 1
  • 1Charité, Campus Virchow Klinikum, Universitätsmedizin Berlin, Med. Klinik m.S. Hepatologie und Gastroenterologie
  • 2Charité, Campus Mitte, Institut für Radiologie, Berlin
  • 3Institut für Neuroradiologie, Universitätsklinik Leipzig
  • 4Charité, Campus Mitte, Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Psychosomatik und Psychotherapie

Funktionelle Bildgebungsstudien zeigen Veränderungen der cerebralen Verarbeitung von viszeralen Reizen, was ein möglicher Mechanismus der viszeralen Hypersensitivität von RDS-Patienten ist. Es ist unbekannt, ob diese Alterationen spezifisch sind für gastrointestinale Stimuli. Im Widerspruch zu früheren Daten wurde kürzlich beim RDS auch eine somatische Hypersensitivität nachgewiesen. Zudem zeigten elektroenzephalographische Studien eine auditive Hyperreaktivität. Unsere Studie hatte zum Ziel, mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) bei RDS-Patienten im Vergleich zu Kontrollen die cerebrale Prozessierung nicht-viszeraler Stimuli zu untersuchen und den möglichen Einfluss ihrer emotionalen Bedeutung zu identifizieren. Methoden: 8 RDS-Patienten und 8 Kontrollen wurden untersucht. Die fMRT- Messung erfolgte im Block-Design bestehend aus 4 akustischen Stimuli unterschiedlicher emotionaler Qualität (angenehme Glockentöne, unangenehmer Piepston, neutrale Worte, emotionale Worte). Für die funktionellen Aufnahmen benutzten wir eine T2*-gewichtete Gradientenecho Sequenz, für die statistische Analyse das Allgemeine Lineare Modell. Ergebnisse: Beide Gruppen zeigten signifikante Aktivierungen (p<0,001) im auditiven und präfrontalen Cortex bei allen Stimuli und in den Sprachzentren bei den Worten. Hinsichtlich der Aktivierungen im limbischen System unterschieden sich die Gruppen jedoch: Die störenden Reize (Pieps, affektive Worte) induzierten bei Patienten stärkere Deaktivierungen in Hippocampus und Amygdala als bei Kontrollen. Zudem zeigten sich nur bei Patienten Deaktivierungen im anterioren und posterioren Cingulum. Die angenehmen Glockentöne führten bei Patienten im Vergleich zu Kontrollen zu einer erhöhten Aktivität in der Amygdala. Schlussfolgerung: Diese fMRT-Studie zeigt bei RDS-Patienten veränderte cerebrale Aktivierungsmuster im limbischen System bei affektiven akustischen Stimuli. Diese Beobachtung deutet darauf hin, dass eine alterierte emotionale Reizverarbeitung beim RDS nicht spezifisch ist für die viszerale Wahrnehmung, sondern generalisierte Veränderungen der zentralen affektiven Reaktivität vorliegen, welche auch zu der häufig bei RDS-Patienten gefundenen psychischen Comorbidität beitragen können.