Pneumologie 2004; 58 - 16
DOI: 10.1055/s-2004-831140

NIV: end of life?

B Schönhofer 1
  • 1Hannover

Im Grenzbereich zwischen Intensiv- und Palliativmedizin begegnen wir zunehmend multimorbiden Patienten mit gleichzeitig bestehender Ateminsuffizienz. In retrospektiven und unkontrollierten Studien wurde gezeigt, dass NIV bei Patienten mit akuter Atmungsinsuffizienz, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr intubiert wurden, durchaus praktikabel ist1–4. Im Wesentlichen fanden die Autoren, dass NIV zur Reduktion der Dyspnoe führte und während dieser Intervention eine gewisse Autonomie erhalten blieb. Auch wenn der Begriff „nicht-invasiv“ eine gewisse Harmlosigkeit suggeriert, ergibt sich hierbei ein häufig unterschätzter Konflikt. Es stellen sich in diesem Zusammenhang kritische Fragen vor allem zu ethischen Aspekten5. Bei der NIV handelt es sich um eine vollwertige Beatmung, die sich in der Akutsituation von der invasiven Beatmung zunächst nur durch den Beatmungszugang unterscheidet. Wenn die Beatmung als intensivmedizinische Maßnahme in einer Patientenverfügung oder entsprechend dem mutmaßlichen Willen des Patienten abgelehnt wird, ist sie kontraindiziert. Wenn immer möglich, muss daher vor Beginn einer NIV das Einverständnis des sterbenskranken Patienten bzw. der Angehörigen zur Durchführung dieser Intervention eingeholt werden. Bei ansprechbarem Patienten sollten Fragen nach dem Willen des Patienten in einfachen Worten (wie z.B. „Sind Sie mit einer Maskenbeatmung einverstanden oder nicht?“) gestellt werden. Besonders wenn der Einsatz der NIV zur Routine einer Abteilung gehört, besteht die Gefahr, dass dem multimorbiden Patienten – fast im Sinne eines Automatismus – die Maskenbeatmung ohne weitere Rücksprache aufgezwungen wird. Hier führt NIV nicht zur Verbesserung der Lebenssituation, sondern zur Entmündigung und Beeinträchtigung der Lebensqualität des Patienten. Bei sterbenskranken und präfinalen Patienten mit ventilatorischer Insuffizienz kann die Maskenbeatmung neben der Reduktion der Kommunikationsfähigkeit zu anderen Beeinträchtigungen wie z.B. schmerzhaften Druckstellen im Gesichtsbereich6 führen. Eventuell verlängert NIV sogar den Leidensweg und Sterbevorgang. In dieser Situation hat NIV auch beim erklärten Therapieziel „Linderung schwerer Dyspnoe“ keine Berechtigung; hierzu stehen – vor allem bei gleichzeitig bestehen Schmerzen – potente Pharmaka, wie z.B. Morphinpräparate, zur Verfügung.

1. Benhamou D, Girault C, Faure C et al. Nasal mask ventilation in acute respiratory failure. Experience in elderly patients. Chest 1992; 102:912–917

2. Meduri GU, Fox RC, Abou-Shala N et al. Noninvasive mechanical ventilation via face mask in patients with acute respiratory failure who refused endotracheal intubation. Crit. Care Med. 1994; 22:1584–1590

3. Meduri GU, Turner RE, Abou-Shala N et al. Noninvasive positive pressure ventilation via face mask. First-line intervention in patients with acute hypercapnic and hypoxemic respiratory failure. Chest 1996; 109:179–193

4. Soo Hoo GW, Santiago S, Williams AJ. Nasal mechanical ventilation for hypercapnic respiratory failure in chronic obstructive pulmonary disease: determinants of success and failure. Crit. Care Med. 1994; 22:1253–1261

5. Clarke DE, Vaughan L, Raffin TA. Noninvasive positive pressure ventilation for patients with terminal respiratory failure: the ethical and economic costs of delaying the inevitable are too great. Am. J. Crit. Care 1994; 3:4–5

6. Gregoretti C, Confalonieri M, Navalesi P et al. Evaluation of patient skin breakdown and comfort with a new face mask for non-invasive ventilation: a multi-center study. Intensive Care Med. 2002; 28:278–284