Im Grenzbereich zwischen Intensiv- und Palliativmedizin begegnen wir zunehmend multimorbiden
Patienten mit gleichzeitig bestehender Ateminsuffizienz. In retrospektiven und unkontrollierten
Studien wurde gezeigt, dass NIV bei Patienten mit akuter Atmungsinsuffizienz, die
aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr intubiert wurden, durchaus praktikabel ist1–4. Im Wesentlichen fanden die Autoren, dass NIV zur Reduktion der Dyspnoe führte und
während dieser Intervention eine gewisse Autonomie erhalten blieb. Auch wenn der Begriff
„nicht-invasiv“ eine gewisse Harmlosigkeit suggeriert, ergibt sich hierbei ein häufig
unterschätzter Konflikt. Es stellen sich in diesem Zusammenhang kritische Fragen vor
allem zu ethischen Aspekten5. Bei der NIV handelt es sich um eine vollwertige Beatmung, die sich in der Akutsituation
von der invasiven Beatmung zunächst nur durch den Beatmungszugang unterscheidet. Wenn
die Beatmung als intensivmedizinische Maßnahme in einer Patientenverfügung oder entsprechend
dem mutmaßlichen Willen des Patienten abgelehnt wird, ist sie kontraindiziert. Wenn
immer möglich, muss daher vor Beginn einer NIV das Einverständnis des sterbenskranken
Patienten bzw. der Angehörigen zur Durchführung dieser Intervention eingeholt werden.
Bei ansprechbarem Patienten sollten Fragen nach dem Willen des Patienten in einfachen
Worten (wie z.B. „Sind Sie mit einer Maskenbeatmung einverstanden oder nicht?“) gestellt
werden. Besonders wenn der Einsatz der NIV zur Routine einer Abteilung gehört, besteht
die Gefahr, dass dem multimorbiden Patienten – fast im Sinne eines Automatismus –
die Maskenbeatmung ohne weitere Rücksprache aufgezwungen wird. Hier führt NIV nicht
zur Verbesserung der Lebenssituation, sondern zur Entmündigung und Beeinträchtigung
der Lebensqualität des Patienten. Bei sterbenskranken und präfinalen Patienten mit
ventilatorischer Insuffizienz kann die Maskenbeatmung neben der Reduktion der Kommunikationsfähigkeit
zu anderen Beeinträchtigungen wie z.B. schmerzhaften Druckstellen im Gesichtsbereich6 führen. Eventuell verlängert NIV sogar den Leidensweg und Sterbevorgang. In dieser
Situation hat NIV auch beim erklärten Therapieziel „Linderung schwerer Dyspnoe“ keine
Berechtigung; hierzu stehen – vor allem bei gleichzeitig bestehen Schmerzen – potente
Pharmaka, wie z.B. Morphinpräparate, zur Verfügung.
1. Benhamou D, Girault C, Faure C et al. Nasal mask ventilation in acute respiratory
failure. Experience in elderly patients. Chest 1992; 102:912–917
2. Meduri GU, Fox RC, Abou-Shala N et al. Noninvasive mechanical ventilation via face
mask in patients with acute respiratory failure who refused endotracheal intubation.
Crit. Care Med. 1994; 22:1584–1590
3. Meduri GU, Turner RE, Abou-Shala N et al. Noninvasive positive pressure ventilation
via face mask. First-line intervention in patients with acute hypercapnic and hypoxemic
respiratory failure. Chest 1996; 109:179–193
4. Soo Hoo GW, Santiago S, Williams AJ. Nasal mechanical ventilation for hypercapnic
respiratory failure in chronic obstructive pulmonary disease: determinants of success
and failure. Crit. Care Med. 1994; 22:1253–1261
5. Clarke DE, Vaughan L, Raffin TA. Noninvasive positive pressure ventilation for
patients with terminal respiratory failure: the ethical and economic costs of delaying
the inevitable are too great. Am. J. Crit. Care 1994; 3:4–5
6. Gregoretti C, Confalonieri M, Navalesi P et al. Evaluation of patient skin breakdown
and comfort with a new face mask for non-invasive ventilation: a multi-center study.
Intensive Care Med. 2002; 28:278–284