Pneumologie 2004; 58 - 13
DOI: 10.1055/s-2004-831100

Respiratorische Störungen in der Geriatrie – ein vernachlässigtes Gebiet?

W Anderer 1, T Tümena 1
  • 1Ansbach

65-jährige und ältere Menschen stellen einen Anteil von rund 18% der Bevölkerung, sie tragen zum Beitragsaufkommen der GKV etwa 15% bei. Sie nehmen circa 45–50% der Gesundheitsleistungen in Anspruch, stellen 40–50% der Patienten in Krankenhäusern, 52% der Behinderten und 80% der Bewohner in Pflegeheimen. Die Versorgung dieser Menschen hat damit eine immense wirtschaftliche Bedeutung.

Nicht jeder über 65-jährige ist ein geriatrischer Patient. Dieser ist gekennzeichnet durch fortgeschrittenes biologisches Lebensalter und geriatrietypische Multimorbidität. Vor-dringliche Aufgabe der Geriatrie ist der Erhalt einer möglichst selbstständigen Lebensführung älterer Menschen und die Verhinderung von Pflegebedürftigkeit. Sie befasst sich deshalb besonders mit Erhaltung und Wiederherstellung der körperlichen und geistigen Fähigkeiten, die mit dem Begriff der Alltagsfähigkeit zusammenhängen.

Folgenden Fragen soll nachgegangen werden:

  • Spielen respiratorische Störungen bei älteren Menschen eine Rolle?

  • Haben respiratorische Störungen eine Bedeutung in der Geriatrie?

Respiratorische Störungen sind in den meisten Fällen mit folgenden Diagnosen verbunden:

Herzinsuffizienz, chronische Bronchitis, Pneumonie, Asthma bronchiale, schlafbezogene Atmungsstörungen. Schwerwiegendste Folge einer respiratorischen Störung ist die Beatmungspflichtigkeit. Unter 142 während eines Jahres auf der Intensivstation eines kommunalen Krankenhauses beatmeten Patienten waren 56% 65 Jahre und älter. Die verursachenden Diagnosen verteilten sich folgendermaßen: Status asthmaticus 7%, Pneumonie 11%, COB 29%, Herzinsuffizienz 53%. Diese Diagnosen fanden sich bei 862 konsekutiven Patienten der geriatrischen Rehabilitation in Ansbach mit einer Häufigkeit von 2,4% als rehabilitationsbegründende Diagnose, 6,7% als weitere Hauptdiagnose, 44,4% als Nebendiagnose. Unter 21744 Patienten in bayerischen geriatrischen Rehaeinrichtungen 2003 betrug die entsprechende Häufigkeit 5,05; 14,81 bzw. 29,82%.

Drei Fallbeispiele zeigen exemplarisch die Bedeutung respiratorischer Störungen in der Geriatrie:

  • 78 jährige Frau in der Gerontopsychiatrie, Fehldiagnose eines deliranten Zustandsbildes bei schwerer Hypoxämie auf dem Boden einer dekompensierten Linksherzinsuffizienz

  • 65 jähriger Mann (BMI 49kg/m2) nach Cholezystektomie und Langzeitbeatmung, dialysepflichtig bei therapierefraktären Ödemen. Nach Diagnose schwerer SBAS und NIB Normalisierung der Nierenfunktion und erfolgreiche Rehabilitation.

  • 83 jähriger Mann nach Schenkelhalsfraktur, COB, Dyspnoe bei geringster Belastung. Durch Sauerstofflangzeittherapie Herstellung der Rehabilitationsfähigkeit und erfolgreiche Behandlung.

Fazit:

Respiratorische Störungen betreffen zu einem erheblichen Teil ältere Menschen.

Rund 50% der Patienten in geriatrischen Rehabilitationseinrichtungen sind mit Diagnosen belastet, die zu klinisch relevanten respiratorischen Störungen führen können.

Diese Störungen werden häufig nicht erkannt und adäquat behandelt.

Zahlreiche Patienten würden von einer weiteren Verbreitung der Kenntnisse profitieren, die in der Arbeitsgemeinschaft Heimbeatmung und Respiratorentwöhnung erarbeitet wurden.