Pneumologie 2005; 59(6): 424
DOI: 10.1055/s-2004-830317
Workshop
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Modell der Mekoniumaspiration beim Ferkel

I.  Reiss1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin, Abteilung für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie (komm. Leiter. Dr. Joachim Gerhard Kreuder), Gießen
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Publication Date:
01 July 2005 (online)

Bei ca. 10 % aller reifen Neugeborenen liegt mekoniumhaltiges Fruchtwasser vor. Mekonium ist ein Gemisch aus gastrointestinalen Sekreten des Feten, abgeschilferten Epithelien, Vernix, Blut, fetalem Urin und einer Vielzahl anderer Komponenten. In Situationen der fetalen Hypoxie, bei der es bereits intrauterin zu einer Mangelversorgung des Feten kommt, wird Mekonium auch vor der Geburt zu unterschiedlichen Zeitpunkten abgesetzt. Das Mekonium wird im Fruchtwasser quantitativ verdünnt und kann schon vor Geburt mit den großen Atemwegen in Kontakt kommen, nach der Geburt durch tiefe Atemzüge aspiriert und somit in die kleinen Atemwege und in den Alveolarraum gelangen. Die Inzidenz des Mekoniumaspirationssyndroms (MAS) liegt je nach Bevölkerung bei 1 : 3000 - 1 : 5000 bei einer Mortalität von 1 ‰. Zur Diagnose eines MAS gehören respiratorische Symptome bei typischen radiologischen Befunden. Die Pathophysiologie des MAS ist komplex und primär durch eine von Mekoniumbestandteilen induzierte toxische Pneumonitis. Aspiriertes Mekonium vermag den pulmonalen Surfactantfilm zu destabilisieren. Mekonium selbst und das nach Aspiration auftretende Lungenödem inhibieren sowohl die Funktion des vorhandenen, aber auch des exogen zugeführten Surfactants. Im Rahmen der Erkrankung kommt es zur Ausbildung von intrapulmonalen Shunts mit Ausbildung einer persistierenden pulmonalen Hypertension.

Tierexperimentelle Untersuchungen zum MAS belegen, dass durch Instillation von Surfactant eine deutliche Verbesserung der Oxygenierung zu erzielen ist, insbesondere bei sehr hohen Mengen an Surfactant. Ein Effekt auf die Mortalität konnte jedoch in klinischen Untersuchungen nicht gezeigt werden. Aufgrund bisheriger Untersuchungen und vor dem Hintergrund des hohen inflammatorischen Potentials im alveolaren Kompartiment beim MAS, stellte sich die Frage, inwieweit die intratracheale Applikation eines gentechnisch hergestellten SP-C Surfactants den Gasaustausch, die Lungenfunktion und die Histomorphometrie beim Mekoniumaspirationssyndrom des Ferkels beeinflusst. Weiterhin sollte der Frage nachgegangen werden, inwieweit der rekombinante SP-C Surfactant in der Lage ist, die pulmonale Entzündungsreaktion auf molekularer Ebene zu modifizieren.

Die Untersuchungen erfolgten an 24 Ferkeln. Das Gewicht betrug im Median 2200 g (Bereich 1900 - 2500) bei einem Alter im Median von 6 (Bereich 1 - 11 Tage) Tagen. Mekonium wurde von gesunden Neugeborenen mit fehlendem Nachweis einer Infektion gewonnen, lyophilisiert und bei - 80 °C gelagert. Zur Induktion des Lungenversagens wurden 5 ml/kg Körpergewicht (KG) Mekonium 20 % in 4 Aliquots innerhalb von 2 - 3 Minuten intratracheal unter laufender maschineller Beatmung verabreicht. Dreißig Minuten nach Applikation von Mekonium kam es zu einer deutlichen Gasaustauschstörung mit einem arteriellen O2-Partialdruck (PaO2) < 9 kPa, sowie den radiologischen Zeichen eines MAS mit Atelektasen, überblähten Lungenarealen und beidseits infiltrativen Veränderungen. Die Gasaustauschstörung stellte den Ausgangswert für ein stabiles Lungenversagen beim MAS dar. Nach Induktion des Lungenversagens erfolgte die Randomisierung der Tiere in eine von 3 Behandlungsgruppen (Kontrollgruppe mit physiologischer Kochsalzlösung, natürlichem bovinen Surfactant und rekombinantem SP-C Surfactant mit einer Konzentration von jeweils 75 mg/kg KG).

Es kann gezeigt werden, dass sowohl rekombinantes SP-C Surfactant als auch das natürliche bovine Surfactant zu einer deutlichen Verbesserung der Oxygenierung und der Lungenfunktion führten, die Effekte für das rekombinante Surfactant jedoch deutlich ausgeprägter erschienen. Im Hinblick auf histomorphometrische Charakteristika alveolärer und interstitieller Inflammationsprozesse konnte eine signifikante Verbesserung dieser Variablen in den mit rekombinantem Surfactant behandelten Tieren erzielt werden. Ergänzend durchgeführte raster- und transmissionselektronenmikroskopische Untersuchungen unterstützten diese Beobachtungen. Um den zugrunde liegenden Regulationsmechanismus dieser unterschiedlichen Wirksamkeit der Surfactantpräparationen weiter zu untersuchen, wurde die mRNA-Expression pro- und antiinflammatorischer Zytokine (IL-1β, IL-6, IL-10, TGF-β) im Lungengewebe mittels einer quantitativen TaqMan™-PCR-Technik analysiert. Nach intratrachealer Gabe von rekombinantem Surfactant konnte eine signifikant reduzierte Expression des proinflammatorischen Zytokins IL-1β im Vergleich zur mit natürlichem bovinen Surfactant behandelten Gruppe wie auch zur der mit Kochsalzlösung behandelten Kontrollgruppe gezeigt werden. Eine vermehrte Expression des antiinflammatorisch wirksamen IL-10 wurde in beiden behandelten Surfactantgruppen beobachtet. Es ist zu spekulieren, ob das positive Wirkspektrum des rekombinanten SP-C Surfactants im experimentellen Mekoniumaspirationssyndrom auf einer Modulation der Transkription pro- und antiinflammatorischer Zytokine beruht. Vor dem Hintergrund der im Rahmen der Entwicklung einer chronischen Lungenerkrankung nach Atemnotsyndrom bedeutsam erscheinenden Inflammationsprozesse könnte dieser Eigenschaft eines rekombinanten SP-C Surfactants eine wesentliche Bedeutung in der klinischen Anwendung beim neonatalen Lungenversagen zukommen.

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