Zentralbl Gynakol 2004; 126 - P1_2
DOI: 10.1055/s-2004-829794

Rezidivierende Fruchtwasserauffüllungen zur Schwangerschaftsprolongation bei beidseitigen multizystischen Nieren

KO Kagan 1, M Schmidt 1, U Kuhn 1, R Kimmig 1
  • 1Essen

Die bilaterale multizystische Nierendysplasie hat im Gegensatz zum einseitigen Auftreten eine sehr ernste Prognose. Sie fällt meist im II. Trimenon durch ein ausgeprägtes Oligo- bis Anhydramnion auf, das auf die eingeschränkte oder fehlende Funktion der vergrößerten und mit multiplen echoleeren, dünnwandigen Zysten (10–20mm) durchsetzten Nieren zurückzuführen ist. Konsekutiv liegt vielfach eine Thorax- und Lungenhypoplasie vor. Zudem findet man gehäuft extrarenale Auffälligkeiten.

Aufgrund der infausten Prognose entscheiden sind die meisten Paare für einen Abbruch der Schwangerschaft. Dies muss jedoch nicht die einzige Alternative sein, wie wir in unserer Fallvorstellung aufzeigen möchten:

Wir sahen die 34-jährige II.-Gravida I.-Para erstmalig in der 21. SW. Der Fet wies eine isolierte, beidseitige multizystische Nierendysplasie mit Anhydramnion und beginnender Thorax- und Lungenhypoplasie auf.

Das Paar entschied sich nach ausführlichen Beratungsgesprächen, die Schwangerschaft mit dem Ziel zu prolongieren, ein dialysefähiges Geburtsgewicht von 2000g zu erreichen.

Wir führten daher Rezidivierende Fruchtwasserauffüllungen durch, um eine ausgeprägte Lungenhypoplasie und Kontrakturen der Extremitäten zu vermeiden. Insgesamt instillierten wir 7 Mal zwischen der 21. und der 29. SSW im durchschnittlichen Abstand von 8,8±2,4 Tagen 325,7±61,8ml (250–400ml) einer 0,45% NaCl/2,5% Glucose Lösung. Vor jeder Punktion lag ein Anhydramnion vor, der Amnion Fluid Index betrug nach Auffüllung 14,6±1,6. Der Fetus entwickelte sich perzentilenentsprechend. Die dysplastischen Nieren wiesen im Verlauf kein Wachstum auf. Die Herz-Thorax Ratio als biometrischer Parameter für eine Lungenhypoplasie befand sich dauerhaft an der 90%-Perzentile. Die fetalen Doppler waren im Verlauf unauffällig.

Wegen unhemmbarer Wehentätigkeit musste die Sectio in der 33+3. SSW durchgeführt werden. Der 1970g schwere Knabe konnte problemlos beatmet werden und hatte keine Kontrakturen. Es wurde auch postpartal keine Harnausscheidung beobachtet. Die Peritonealdialyse wurde 7 Tage nach Entbindung bei einem Gewicht von 2300g begonnen. Das Kind konnte nach 12 Wochen mit einem Gewicht von 3670g nach Hause entlassen werden.

Der hier beschriebene Fall zeigt, dass durch wiederholte Amnioninfusionen die Schwangerschaft bei bilateraler multizyster Nierendysplasie bis zur Dialysefähigkeit des Neugeborenen prolongiert werden kann, ohne dass es zu einer therapierefraktären Lungenhypoplasie kommen muss. Jedoch muss auch die erfolgreiche Prolongation mit anschließender Peritonealdialyse des Neugeborenen prognostisch differenziert betrachtet werden, da diese postpartale Therapieoption bisher nicht der Standardtherapie entspricht und zahlreiche Risiken in sich birgt.

Wir bedanken uns für die freundliche Kooperation mit Herrn PD Dr. Hansler/Frau PD Dr. Roll (Neonatologie) und Frau Prof. Dr. Wingen (Kindernephrologie).