Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 223
DOI: 10.1055/s-2004-829428

Sturz eines Neugeborenen durch ein vermeintlich geschlossenes Inkubatorschwenkfenster

W Buchenau 1, R Goelz 1, I Müller-Hansen 1, CF Poets 1
  • 1Abteilung Neonatologie der Universitätskinderklinik (Tübingen, Deutschland)

Hintergrund: Unfallprävention hat hohe Priorität auf Intensivstationen. Wir berichten über einen potenziell vermeidbaren Unfall aufgrund eines Inkubatordefektes.

Fallbericht: Ein ikterisches Neugeborenes (NG) erhielt auf der angehobenen Liegefläche eines Intensivinkubators (Dräger 8000) Phototherapie. Um die anderen NG im Raum vor Blaulicht zu schützen, stand eine Vorhangwand vor dem Inkubator, die die Sicht auf den Inkubator zum Teil verdeckte.

Gegen 1 Uhr nachts hörte die anwesende Schwester einen dumpfen Schlag hinter der Vorhangwand, darauf Schreien des Kindes. Sie fand das NG auf dem Boden liegend, die Überwachungskabel führten durch das offene kopfseitige Inkubatorschwenkfenster in den Inkubator hinein und weiter zum Monitor. Das Kind war im weiteren Verlauf neurologisch unauffällig, ebenso die ZNS-Sonographie und das EEG vor Entlassung. Parietotemporal rechts mehr als links entwickelte sich relativ rasch eine erhebliche Schwellung, die Röntgenaufnahme des Schädels zeigte rechts eine Fraktur. Im cranialen CT fanden sich zusätzlich parietotemporal beidseits kleine subdurale und links eine kleine subarachnoidale Blutung. Ein Kontroll-CT 36 Stunden später zeigte keine Progredienz.

Rekonstruktion des Sturzes: Vor Benutzung stand der Inkubator im Stand-by-Modus am Patientenplatz, die Inkubatorschwenkfenster waren geschlossen. Die Funktionsprüfung der Klappen nach dem Sturz zeigte, dass das kopfseitige Inkubatorschwenkfenster zwar geschlossen werden konnte, jedoch bereits unter geringem Druck von innen aufsprang. Der Arretiermechanismus der Klappe im Scharnierbereich war unzureichend eingerastet. Das relativ lebhafte Kind hatte wohl durch Berührung das Schwenkfenster von innen geöffnet, und sich, da sich die Liegefläche auf Höhe der Unterkante der Inkubatoröffnung befand, durch die Öffnung gezwängt.

Maßnahmen: Parallel zur Versorgung des Kindes und den Elterngesprächen wurde der Inkubator asserviert und photodokumentiert, sofort schriftliche Protokolle von den beteiligten Personen angefertigt und die vorgeschriebene Meldung an das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte abgegeben. Sämtliche Inkubatorschwenkfenster der Abteilung wurden überprüft, und das Vorgehen bei der Funktionsprüfung eines Inkubators in einer schriftlichen Anweisung präzisiert. In einer neueren Gebrauchsanweisung von 1998 (der Inkubator ist 4 Jahre älter), die uns inzwischen vorliegt, wird die Vorgehensweise beim Funktionstest der Schwenkfensters erstmals exakt beschrieben.

Schlussfolgerung: Neugeborene können durch offene Inkubatorschwenkfenster hindurchkriechen und stürzen. Vor Inbetriebnahme reicht eine Sichtprüfung der Schwenkfenster allein nicht aus, die sichere Einrastung muss zusätzlich durch Druck von innen oder Zug von außen überprüft werden.