Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 203
DOI: 10.1055/s-2004-829408

Mentale, motorische und Verhaltensentwicklung von „very low birthweight“ Kindern (<1500g) im korrigierten Alter von drei Jahren

C Ganseforth 1, D Rödder 1, A Kribs 1, F Pillekamp 1, A von Gontard 1, B Roth 1
  • 1Medizinische Einrichtungen der Universität zu Köln, Universität Homburg (Köln, Homburg, Deutschland)

Fragestellung: Bedeutende Fortschritte in der neonatologischen Intensivmedizin im letzten Jahrzehnt haben zu einer verbesserten Überlebensrate von „very low birthweight“ (VLBW)-Frühgeborenen geführt. Hierunter sind vermehrt extrem leichtgewichtige Kinder mit besonderer Vulnerabilität, so dass der zu erwartende positive Effekt verbesserter neonataler Versorgungsmöglichkeiten nicht unbedingt auf die Entwicklungsresultate Einfluss nimmt. Zielsetzung dieser Studie war daher, ein aktuelles Bild der mentalen, motorischen und Verhaltensentwicklung dieser Hochrisikogruppe im Alter von drei Jahren zu geben. Methoden: Von 131 VLBW-Frühgeborenen des Jahrgangs 1999 der Universitätskinderklinik Köln wurden 85 Kinder konsekutiv in eine prospektive Längsschnittstudie aufgenommen. 79 (92,2%) Kinder wurden im korrigierten Altern von drei Jahren nachuntersucht und mit einer Kontrollgruppe aus 23 Reifgeborenen des Jahrgangs 2000 aus derselben Klinik (Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe) verglichen. 72 (84,7% der Ursprungsstichprobe) wurden mit den „Bayley-Scales of Infant Development-II“ (BSID-II) getestet. 2 Kinder konnten aufgrund von Testverweigerung (1) oder schwerer Behinderung (1) nur teilweise untersucht werden. Die BSID-II ist ein standardisiertes Entwicklungstestverfahren, das aus einer mentalen, einer motorischen sowie einer Verhaltensskala besteht. Ergebnisse: Das mittlere Gestationsalter der Frühgeborenengruppe betrug 28+4 (23+3–34+1), das mittlere Geburtsgewicht 1028g (380–1480), das der Reifgeborenengruppe 39+3 (37+0–42+0) und 3379g (2400–4130). 54,4% der Frühgeborenen waren Mädchen (Reifgeborene: 52,2%), 45,6% Jungen (Reifgeborene: 47,8%), 44,3% zählten zu den Mehrlingen (Reifgeborene: 34,8%), 55,7% zu den Einlingen (Reifgeborene: 65,2%). Die soziodemographischen Daten der Gruppen waren bis auf definitorische Unterschiede weitgehend vergleichbar, abgesehen von einem höheren mütterlichen Bildungsstand und ausschließlich deutschen Familien in der Kontrollgruppe. Bezüglich der mentalen Entwicklung waren 12% der Frühgeborenen deutlich und 6,7% leicht entwicklungsverzögert (Reifgeborene: 0% verzögert). Motorisch wiesen 16% deutliche und 17,3% leichte Entwicklungsverzögerungen auf (Reifgeborene: 0% deutlich, 4,3% leicht). Auf der Verhaltensskala wurden 9.9% der Frühgeborenen aufgrund ihres Gesamtwertes als nicht optimal und 21,1% als fraglich klassifiziert (Reifgeborene: 0% nicht optimal, 21,7% fraglich). Schlussfolgerung: VLBW-Frühgeborene haben gegenüber Reifgeborenen ein annähernd 19 mal höheres Risiko für leichte oder deutliche mentale und ein knapp 8 mal höheres Risiko für leichte oder deutliche motorische Entwicklungsauffälligkeiten. Bezüglich der Verhaltenssymptome lagen fast 10% der Frühgeborenen und keines der Reifgeborenen im klinischen Bereich. Trotz verbesserter postnataler Versorgung der Kinder tragen VLBW-Kinder somit nach wie vor ein deutlich höheres Risiko für Entwicklungsauffälligkeiten und brauchen besondere Nachsorge.