Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 195
DOI: 10.1055/s-2004-829400

Bradykardie bei einem Neugeborenen – wie langsam ist zu langsam? Bewertung der Bradykardie mittels echokardiographischer Leistungsparameter. Kasuistik

C Gebauer 1, M Knüpfer 1, F Pulzer 1, E Robel-Tillig 1, C Vogtmann 1
  • 1Univ.-Kinderklinik für Kinder u. Jugendliche, Abt. Neonatologie (Leipzig, Deutschland)

Einleitung: Eine neonatale Bradykardie ist definiert als Ruheherzfrequenz unter 90–100/min. Wir bestimmten kardiale Leistungsparameter im Abstand von einer Woche bei einem reifen Neugeborenen mit auffallender Bradykardie bis unter 70/min, die nach Ausschluss pathologi-scher Befunde nicht behandelt wurde.

Kasuistik: Wir berichten über ein weibliches übertragenes, eutrophes Neugeborenes der 41,3 SSW, Geburtsgewicht von 3170g, Spontangeburt. Im Rahmen der U1-Untersuchung fällt bei dem dysmaturen Neugeborenen neben einer trockenen Haut mit Rhagaden eine Plethora und auskultatorisch eine Bradykardie mit Herzfrequenzschwankungen in Ruhe von 77–98/min auf, bei Stimulation Herzfrequenzanstieg bis maximal 120/min. Aufgrund eines venösen Häma-tokrits von 0,72 erfolgt in der 9. Lebensstunde eine Hämodilution, wobei 50ml Blut (15,8ml/kg KG) gegen Elektrolyt-Glukose-Biseko-Lösung ausgetauscht wurden. An den folgenden Tagen ist weiterhin eine Sinusbradykardie mit Bradykardien bis minimal 54/min zu beobach-ten. Klinisch besteht ein stabiler Allgemeinzustand mit einem rosigen Hautkolorit, pulsoxy-metrisch gemessenen Sauerstoffsättigungen von über 98%, keine Apnoen und eine ungestörte Kreislaufsituation mit normotonen Blutdruckwerten, ohne erhöhte zentral-periphere Tempera-turdifferenz und mit ausreichender Organperfusion. Das mithilfe der echokardiographischen Funktionsdiagnostik ermittelte Herzminutenvolumen befindet sich aufgrund verlängerter linksventrikulärer Ejektionszeit, normaler Aortenausflussgeschwindigkeit und normalem Schlagvolumen mit 190 bis 200ml/kg/min noch im unteren Normalbereich (236±47ml/kg KG/min n. Alverson). Differentialdiagnostisch wurden folgende Krankheiten ausgeschlossen: Elektrolytverschiebungen, konnatale Hypothyreose, AV-Block, Long-QT-Syndrom, zentral-nervöse Anomalien.

Am 5. Lebenstag erfolgt die Entlassung nach Hause. Eine Nachuntersuchung am 12. Lt. zeigt jetzt Ruheherzfrequenzen um 120/min ohne Bradykardien. Das echokardiographisch be-stimmte Herzminutenvolumen liegt mit 190ml/kg/min weiterhin im unteren Normbereich. Im Kardiorespirogramm in der 4. Lebenswoche ist ein altersphysiologisches Verhalten zu sehen, mit stabilen Herzfrequenzwerten um 120/min und gering ausgeprägter periodischer Atmung.

Diskussion und Schlussfolgerungen: Der beobachtete Verlauf zeigt im wesentlichen zwei As-pekte. Einerseits ist im obig beschriebenen Fall eine Herzfrequenz in Ruhe von 80/min, wel-che definitionsgemäß als Sinusbradykardie zu bezeichnen ist, im Einzelfall ausreichend um eine suffiziente Organ- und Hautperfusion sicherzustellen. Dies zeigen die im Normbereich liegenden Blutdruckwerte, transkutane Sauerstoffsättigung, kleine zentralvenöse Temperatur-differenz und die im unteren Normbereich liegenden echokardiographischen Leistungspara-metern. Andererseits ist das Neugeborene in der Lage durch Steigerung des Schlagvolumen ein ausreichendes Herzminutenvolumen sicher zu stellen.