Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 173
DOI: 10.1055/s-2004-829378

Lemierre-Syndrom: Schwerste Infektion mit multiplen, typischen Komplikationen

OJ Götz 1, J Franke 1, H Müller 1, K Kurnik 1
  • 1Klinikum Kempten (Kempten/Allgäu, München, Deutschland)

Einleitung: Das Lemierre-Syndrom ist eine durch gram-negative Fusobakterien ausgelöste, schwerste Weichteilinfektion vorrangig im Halsbereich mit einer Reihe lokaler und systemischer Komplikationen. Nach Beginn mit einer Tonsillopharyngitis kommt es zu einer rasch progredienten Sepsis mit septischen Absiedlungen und Abszessen in Lunge, Gelenken und Knochen. Zudem entwickeln sich im Verlauf thrombophlebitische Verschlüssen der Jugularvenen. Unbehandelt ist die Mortalität hoch, bei raschen Therapiebeginn heilt die Erkrankung meist folgenlos aus. Kasuistik: Wir berichten über eine 15-jährige Patientin, die mit einer nach Luftwegsinfekt aufgetretenen und zunehmenden linksseitigen Halsschwellung und Fieber bis über 40°C in sehr schlechtem Allgemeinzustand eingewiesen wurde. Klinisch und laborchemisch handelte es sich um ein septisches Krankheitsbild, die mikrobiologische und serologische Diagnostik konnte keinen Keimnachweis erbringen. Auch die Punktion eines Abszesses erbrachte keinen Keimnachweis. Initial bestanden neben einer ausgedehnten phlegmonösen Entzündung im Halsbereich und oberen Thoraxbereich und einer okkludierendenThrombose der V. jugularis interna links sowie des Sinus transversus und Sinus sigmoideus links eine beidseitige Pneumonie. Im Verlauf entwickelten sich multiple kleine Abszesse im Bereich der Phlegmone sowie eine Osteomyelitis des Manubrium sterni und der rechten Clavicula. Nach nur zögerlicher Besserung unter einer antibiotischen Therapie mit Cefotiam und Gentamycin kam es nach Umsetzen auf Ceftazidim und Vancomycin zu einer deutlichen klinischen Besserung und einem Rückgang der Entzündungszeichen. Nach Beendigung der stationären Therapie wurde die Antibiose mit Clindamycin fortgesetzt. Supportiv behandelten wir die Thrombose der V. jugularis interna links sowie des linken Sinus transversus und Sinus sigmoideus durch eine Antikoagulation mit niedermolekularem Heparin. Sechs Monate nach Entlassung ist die Patientin vollständig beschwerdefrei, allerdings blieben die Vv. Jugularis interna und externa links nach wie vor verschlossen, Kollateralen sind nachweisbar. Diskussion: Das initial schwierig einzuschätzende, schwere Krankheitsbild ließ sich durch die klinisch typischen Manifestationen und Komplikationen rasch einordnen. Trotz mehrwöchiger Bebrütung der anaeroben Kulturmedien gelang der Nachweis von Fusobakterien nicht. Trotz der Seltenheit der Erkrankung muss bei entsprechender Konstellation an ein Lemierre-Syndrom gedacht werden, zumal bei frühzeitiger Therapie die Heilungsausichten gut sind.