Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 140
DOI: 10.1055/s-2004-829345

Methylmalonazidurie bei einem extrem unreifen Frühgeborenen – ein Fallbericht

S Magga 1, A Müller 1, N Kau 1, P Bartmann 1, A Heep 1
  • 1Abteilung Neonatologie, Universitätsklinikum Bonn (Bonn, Deutschland)

Hintergrund:

Die Methylmalonazidurie (MMA), eine Organoazidopathie, ist eine Störung im intramitochondrialen Abbau von verzweigtkettigen Aminosäuren. Es kann eine autosomal-rezessiv vererbte Störung der Vitamin B12-abhängigen Methylmalonyl-CoA-Mutase oder eine Störung des Cobalaminstoffwechsels vorliegen. Das klinische Erscheinungsbild zeigt dabei eine große Variabilität. Bei Erstmanifestation einer schweren Form kann ein sepsisartiges Krankheitsbild mit schwerer metabolischer Entgleisung im Sinne einer Laktat- oder Ketoazidose im Vordergrund stehen.

Fallbeschreibung:

Weibliches hypothrophes Frühgeborenes von 24+1 SSW, Sektio bei vorzeitiger Wehentätigkeit und Muttermundseröffnung, Z. n. IVF bei konsanguiner Ehe, Gewicht 518g (<3. Perz.) Länge 32cm (<3. Perz.), KU 20,9cm (<3. Perz.).

Verlauf: Nach einer raschen kardiorespiratorischen Stabilisierung persistierende metabolische Azidose (BE –14 mmol/l) am 3. LT mit einer Laktatazidose (12 mmo/l), Hyperglykämie, Panzytopenie und Hyperammonämie. Bis zu diesem Zeitpunkt keine Zufuhr von Aminosäuren. Zur Normalisierung der entgleisten Stoffwechsellage war über mehrere Tage eine Dauerinfusion mit Natriumbikarbonat und Insulin erforderlich. Die Panzytopenie erholte sich nur sehr langsam.

Diagnostik und Therapie: Im Trockenblut erhöhtes Propionylcarnitin und erniedrigtes freies Carnitin, massive Ausscheidung von Methylmalonsäure im Urin, Aminosäuren im Plasma normal. Bei V. a. eine MMA zögerlicher Nahrungsaufbau mit Proteinsrestriktion, Auffüllen der Vitamin B12-Speicher, Carnitintherapie und zur schnelleren Methylmalonsäureausscheidung über die Niere eine erhöhte Flüssigkeitszufuhr. Nach Auffüllen der Vitamin B12-Speicher und weiter bestehender Methylmalonazidurie V. a. eine MMA durch einen Methylmalonyl-CoA-Mutase-Defekt. Trotz hoher Kalorienzufuhr (in Form von Kohlenhydraten und Fetten) schlechtes Gedeihen (<3. Perz.), im Rahmen der Frühgeburtlichkeit zusätzlich Entwicklung einer bronchopulmonalen Dysplasie und Retinopathie. Die sonographischen Hirnuntersuchungen zeigten einen unauffälligen Befund. Bei rezidivierenden abdominellen Problemen waren immer wieder Unterbrechungen der spezifisichen Diät erforderlich.

Schlussfolgerung:

Die Kombination einer MMA mit der unreifen Stoffwechselsituation eines Frühgeborenen erfordert ein aufwendiges intensivmedizinisches Therapiemanagement. Um neurologische Folgen und andere Organschäden durch eine MMA zu minimieren oder gar zu verhindern, muss eine anabole Stoffwechsellage unter einer spezifischen Diät eingehalten werden. Trotz entsprechender Maßnahmen ist die psychomotorische Entwicklung des Frühgeborenen eingeschränkt. Schließlich erfordert das engmaschige Therapiemonitoring häufige Blutentnahmen, was beim Frühgeborenen zu einer iatrogenen Anämie führt.