Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 65
DOI: 10.1055/s-2004-829270

Kongenitale Leukämie bei eineiigen Zwillingen

G Konetzny 1, S Das-Kundu 1, R Arlettaz 1, HU Bucher 1, R Rüegg 1, T Stallmach 1, A Schmitt 1, M Schmugge 1, F Niggli 1, D Betts 1
  • 1Klinik für Neonatologie (Zürich, Schweiz)

Hintergrund: Wir berichten über diese seltene Konstellation, weil sie interessante Fragen nach Entstehung und Differentialdiagnose dieser Krankheit aufwirft.

Fallbeschreibung: IVF-induzierte monoamniote Gemini-Schwangerschaft mit zunächst komplikationslosem Verlauf. Sectio caesarea in der 32 4/7 Schwangerschaftswoche wegen pathologischem CTG. Zwilling A Apgar 7/9/9, Geburtsgewicht 1760g; Zwilling B Apgar 3/8/8, Geburtsgewicht 1640g. Intubation beider Mädchen kurz nach der Geburt wegen zunehmendem Atemnotsyndrom. Klinische Untersuchung: Blässe, Petechien, Ekchymosen, Blutungen aus Nabel, Mund, Tubus und Hepatosplenomegalie. Labor: Anämie (Hämatokrit 29%), Thrombozytopenie (64'000/µl), Leukozytose (199'000/µl) mit hohem Blastenanteil und Gerinnungsstörung. Trotz Maximalbeatmung, Surfactantgabe, Erythrozyten- und Thrombozytentransfusionen und Verabreichung von FFP und Prothrombinkomplex verstarb Zwilling B im Alter von 25 Stunden an einer globalen Ateminsuffizienz und Zwilling A im Alter von 2½ Tagen an einer Atem- und Kreislaufdekompensation unter zusätzlicher Therapie mit Ringerlactat, Dopamin und Adrenalin.

Diskussion: Differentialdiagnostisch wurden eine virale intrauterine Infektion, eine transiente myeloproliferative Störung (häufig mit Trisomie 21 assoziiert) und eine kongenitale Leukämie in Erwägung gezogen. Die Ergebnisse der zytogenetischen Abklärung, der Immunphänotypisierung und der Blutbildmorphologie sind am ehesten mit der Diagnose einer AML M6 (Di Guglielmo Syndrom) vereinbar. Eine 11q23-Translokation, die in ca. 80% der Fälle vorkommt, haben wir bei beiden Kindern nicht gefunden.

Schlussfolgerung: Die Konkordanzrate der kongenitalen Leukämie ist bei monozygoten Zwillingen sehr hoch. Am wahrscheinlichsten ist eine monoklonale Entstehung bei einem Zwilling und eine Metastasierung über die plazentaren Gefäßverbindungen in den anderen Zwilling, jedoch nie in die Mutter.