Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 52
DOI: 10.1055/s-2004-829257

Zur epidemiologischen Situation des neonatalen Drogenentzuges in Schleswig-Holstein – Ergebnisse einer landesweiten Datenerhebung

T Wygold 1, U Fischer 1, M Berth 1
  • 1Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (Lübeck, Deutschland)

Es gibt zur Epidemiologie des neonatalen Drogenentzuges bislang keine zuverlässigen Daten aus Deutschland. Aus diesem Grund wurde eine retrospektive Auswertung für das Bundesland Schleswig-Holstein über 5 Jahre (1998–2002) aus Patientendaten aller 11 schleswig-holsteinischen Kinderkliniken mit Akutversorgung vorgenommen.

In die Studie konnten n=131 Kinder (männlich: n=69, weiblich: n=62; 52,7%/47,3%) aus 9 Kliniken eingeschlossen werden (2 Kliniken versorgen keine Neugeborene mit Drogenentzug). Davon waren n=112 Reif- und n=19 Frühgeborene (85,5%/14,5%). Zum Zeitpunkt der Geburt befanden sich n=90 Mütter in einem Substitutionsprogramm (n=29 nicht, über n=12 gab es keine Angaben). Der Entzug der Kinder wurde überwiegend mit Phenobarbital behandelt (n=79, 60,3%) bei einem durchschnittlichen stationären Aufenthalt von 35 Tagen. Nach Abschluss des Krankenhausaufenthaltes wurden n=97 Kinder (74,1%) nach Hause entlassen. Das Jugendamt wurde in 76,5% der Fälle hinzugezogen.

In der statistischen Auswertung gab es unter den Kinderkliniken signifikante Unterschiede bezüglich des stationären Aufenthaltes der Kinder, der Entzugsmedikation und ihrer Einnahmedauer, des Auftretens von therapiebegleitenden Komplikationen und der Hinzuziehung des Jugendamtes zur Entlassung.

Weitere signifikante Unterschiede bezüglich der Betreuung und des Krankheitsverlaufs der Neugeborenen bestanden, wenn die Mütter aufgeteilt wurden nach Wohnort, Art des Drogenabusus und v.a., ob sie bei Geburt an einem Substitutionsprogramm teilnahmen oder nicht. Die Nicht-Teilnahme der Mütter an einem Substitutionsprogramm war assoziiert mit Frühgeburtlichkeit und der Inobhutnahme der Kinder durch das Jugendamt.

Zusammenfassung: Die Ergebnisse dieser erstmalig erfolgten landesweiten epidemiologischen Datenerhebung weisen auf die Notwendigkeit einer einheitlichen und standardisierten Betreuung von Neugeborenen mit Drogenentzug hin. Dies gilt ebenso für die Betreuung der drogenabhängigen Schwangeren. Die Art des Drogenabusus und die Nicht-Teilnahme an einem Substitutionsprogramm zum Zeitpunkt der Geburt scheinen möglicherweise Indikatoren für eine Risikogruppe unter diesen schwangeren Frauen zu sein, die aufgrund einer schlechteren gesundheitlichen Überwachung und sozialen Verankerung häufiger Frühgeburten und anschließende Inobhutnahmen ihrer Kinder durch das Jugendamt erfährt.