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DOI: 10.1055/s-2004-829246
Die Behandlungsmöglichkeiten der Äthylenglykol Intoxikation – ein Fallbeispiel
Äthylenglykol ist der Hauptbestandteil von Frostschutzmitteln. Ingestionen von Äthylenglykol sind in der Regel im Rahmen von Suizidversuchen, als Alkoholersatz oder irrtümlich zu verzeichnen. Äthylenglykol wird nach Aufnahme über den Gastrointestinaltrakt in der Leber durch die Alkoholdehydrogenase in die eigentlich toxischen Metabolite Glykolsäure, Formalinsäure und Oxalsäure abgebaut. Neben akuten neurologischen Symptomen, einer schweren metabolischen Azidose und einer kardiopulmonalen Insuffizienz kann es aufgrund des massiven Anfalls von Oxalsäure zu einem akuten Nierenversagen durch Ablagerung von Oxalatkristallen in der Niere kommen. Die unbehandelte Intoxikation ist mit einer hohen Morbidität und Mortalität behaftet.
Wir berichten über ein 12-jähriges Mädchen welches in suizidaler Absicht eine ca. 5-fach letale Dosis an Äthylenglykol zu sich genommen hat. Es erfolgte eine Akutbehandlung mit Ethanolinfusionen zur Blockade der Alkoholdehydrogenase sowie eine Hämodialyse-behandlung zur Elimination des Äthylenglykols und seiner toxischen Metabolite. Der initiale Blut-Glykol-Spiegel lag bei 0,88 Promille, dieser konnte durch eine 3,5 Stunden lange Hämodialyse auf einen Spiegel von 0,4 Promille gesenkt werden. Unter kontinuierlicher Ethanolinfusion kam es in der Folge zu einem langsamen Abfall des Glykolspiegels auf Werte unter 0,15 Promille ca. 36 Stunden nach Ingestion. Eine metabolische Azidose oder eine Hypocalcämie, welche bei der Intoxikation auftreten können, lagen nicht vor, die Patientin war jederzeit neurologisch unauffällig.
Die gemessenen Plasmaoxalatspiegel stiegen bis max. 88,8µmol/l (Norm <6,3) am 3. Tag post ingestionem an und fielen bis zum 7 Tag wieder auf Normalwerte ab. Im Urin fanden wir eine erhöhte Oxalatausscheidung (max. 1,16 mmol/1,73m2/24h), die Urinsättigung für Calciumoxalat konnte durch eine Therapie mit Alkalizitrat (Blemaren N) gesenkt werden. Die Patientin wurde nach insgesamt 7 Tagen gesund entlassen. Im Rahmen einer ambulanten Nachkontrolle fanden sich unauffällige Plasmaoxalatwerte sowie eine unauffällige Oxalatausscheidung im Urin.
Die Therapie der Äthylenglykolintoxikation besteht neben einer primären Giftentfernung (innerhalb der ersten 6–12h) in erster Linie in einer Blockade der Alkoholdehydrogenase. Dies kann durch eine kontinuierliche, hochdosierte Ethanolgabe oder durch die Gabe des weniger toxischen 4-Methylpyrazol erreicht werden. Eine Hämo- und auch eine Peritonealdialysebehandlung können Äthylenglykol und seine Metabolite schnell aus dem Körper entfernen.
Kinder mit einer schweren Äthylenglykolintoxikation sollten wegen der drohenden akuten Niereninsuffizienz und der Möglichkeit der extrakorporalen Detoxikation frühzeitig in ein Kinderdialysezentrum verlegt werden.