Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 8
DOI: 10.1055/s-2004-829213

Rezidivierende Hypoxämien und Bradykardien während Känguruhpflege (KP): Überwärmung ist nicht der ausschlaggebende Risikofaktor

B Bohnhorst 1, D Gill 1, M Dördelmann 1, CS Peter 1, CF Poets 1
  • 1Medizinische Hochschule Hannover, Abtlg für Neonatologie, UKK Tübingen (Hannover, Tübingen, Deutschland)

Fragestellung: Stellt eine Überwärmung der FG einen Risikofaktor für ein vermehrtes Auftreten von Hypoxämien und Bradykardien während KP dar, wie dies eine frühere Untersuchung (Bohnhorst, J Pediatr 2001;138:193–7) suggerierte?

Methodik: Bei 22 spontan atmenden FG (medianes Gestationsalter 28.5 Wochen (Bereich 24–31), Alter zum Untersuchungszeitpunkt 25.5 Tage (Bereich 10–60), Gewicht zum Untersuchungszeitpunkt 1320g (Bereich 900–2460g)) wurden drei jeweils 2-stündige Aufzeichnungen von thorakalen Atembewegungen, nasalem Luftstrom, Herzfrequenz (HF), pulsoximetrischer Sättigung (SpO2) und Plethysmographiekurve während Inkubatorpflege in Thermoneutralität (TN), während KP in Thermoneutralität und während Inkubatorpflege mit erhöhter Körpertemperatur (EKT) durchgeführt. Die Körpertemperatur wurde kontinuierlich mit einer rektalen Sonde gemessen. Die Aufzeichnungen wurden in Bezug auf die summierte Häufigkeit von Bradykardien (<2/3 der basalen HF) and Hypoxämien (SpO2 <80%) pro Stunde (das primäre Zielkriterium) und in Bezug auf Apnoen (≥ 10s) sowie basale HF, Atemfrequenz (AF) und SpO2 analysiert.

Ergebnisse: Die Körpertemperatur stieg während EKT signifikant an (TN: 36.9°C (36.5–37.4), KP: 36.9 (36.6–37.2), EKT: 37.5 (37.1–37.6), p<0.001). Basale HF und AF veränderten sich im Vergleich zur TN während KP nicht (153.5/min (126–184) und 66/min (41–93) bzw. 156 (117–182) und 66.5 (50–94)), stiegen allerdings während EKT signifikant an (161 (132–187) und 77.5 (60–105), p<0.01); die basale SpO2 blieb in allen 3 Phasen unverändert. Die summierte Häufigkeit von Hypoxämien und Bradykardien stieg während KP an (TN: 1.47 (0–14), EKT: 1.48 (0–10), KP: 1.92 (0–17), p<0.03 KP vs. EKT), nicht jedoch die Apnoehäufigkeit. Der Anteil an regelmäßiger Atmung sank von 11.3% (1–25) während TN auf 4.2% (1–13) während KP (p<0.001) und stieg wiederum auf 8.2% (1.9–52.7) während EKT (p<0.001).

Schlussfolgerung: Diese Daten bestätigen ein vermehrtes Auftreten von Hypoxämien und Bradykardien während Känguruhpflege; dies selbst bei konstant gehaltener Körpertemperatur. Die Erhöhung der Umgebungs- und damit der Körpertemperatur während Inkubatorpflege hatte dagegen bei diesen FG keinen Anstieg der Hypoxämie- und Bradykardiehäufigkeit zur Folge. Die Annahme, dass eine mässige Überwärmung bei FG eine respiratorische Instabilität verursacht, muss kritisch hinterfragt werden. Die Zunahme der Bradykardie- und vor allem Hypoxämiehäufigkeit während KP könnte in Zusammenhang mit einer gekrümmten Rumpfhaltung auf der elterlichen Brust oder vermehrter Reklination des Kopfes und damit beeinträchtigter Atemmechanik stehen; der genaue Mechanismus bleibt aber derzeit unklar.