Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 7
DOI: 10.1055/s-2004-829212

Die Tübinger Gaumenplatte – Ein innovatives Therapiekonzept bei Pierre-Robin-Sequenz. Einfluss auf die schlafbezogene Atmungsstörung

W Buchenau 1, J Sautermeister 1, M Bacher 1, J Arand 1, MS Urschitz 1, CF Poets 1
  • 1Kinderklinik Tübingen, Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilk. Tübingen (Tübingen, Deutschland)

Fragestellung: Ausgeprägte Saug- und Trinkprobleme sowie gehäufte obstruktive Apnoen führen bei der Pierre Robin Sequenz (PRS) zu rezidivierenden Hypoxämien, gestörtem Schlaf, Gedeihstörung, mentaler Retardierung und vereinzelt zum plötzlichen Tod.

Im Tübinger Behandlungskonzept wird eine spezielle, etwas längere Gaumenplatte mit einem integrierten velaren Sporn in die Mundhöhle eingebracht und endoskopisch angepasst. Diese Gaumenplatte erleichtert das selbständige Saugen und Trinken der Kinder, drückt aber zusätzlich den Zungengrund nach vorn und erweitert die bestehende Enge im Rachenbereich. Damit ließen sich nach klinischem Eindruck obstruktive Apnoen und Hypoxämien deutlich verbessern. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Wirksamkeit der Tübinger Gaumenplatte (TG) auf die assoziierte schlafbezogene Atmungsstörung zu überprüfen.

Methodik: 17 Säuglinge mit diagnostizierter klassischer PRS wurden in die Studie eingeschlossen und mit TG behandelt. Polysomnographien mit Aufzeichnung von thorakalen und abdominellen Atembewegungen, oro-nasalem Luftstrom, pulsoximetrischer Sauerstoffsättigung [SpO2], EKG und Video während des Schlafs und kapilläre Kohlendioxidpartialdruckmessungen (pCO2) während des Wachzustandes wurden bei Aufnahme (T1), Entlassung (T2) und 3 Monate nach Entlassung (T3) durchgeführt. Obstruktive und gemischte Apnoen (>2 Atemzüge; OAI) sowie Entsättigungen (<85% SpO2; DI85) wurden erfasst und als Ereignisse pro Stunde Schlaf dargestellt. Gepaarte Daten (T1 und T2 bzw. T1 und T3) wurden mittels Wilcoxon-Test auf signifikante Unterschiede (p<0,05) geprüft. Die Ergebnisse werden als Mittelwert (MW) und Standardabweichung (SA) präsentiert.

Ergebnisse: Es werden vorläufige Daten von 5 komplett ausgewerteten Patienten (3 Mädchen) berichtet: Gestationsalter bei Geburt; MW (SA): 39,6 (0,9) Wochen, Geburtsgewicht: 3224 (228) Gramm, Alter bei Aufnahme: 14,4 (17,5) Tage, Verweildauer: 32 (20) Tage. Es konnte ein Rückgang des OAI von 23 (19; T1) auf 7 (6; T2; n.s.) bzw. auf 0,5 (0,5; T3; p<0,05) und des DI85 von 15 (23; T1) auf 2 (1; T2; n.s.) bzw. auf 0,2 (0,2; n.s.) gefunden werden. Ebenso zeigte der pCO2 eine Abnahme von 47,9 (5,6; T1) auf 43,2 (3,4; T2; n.s.) bzw. 36,5 (6,3; T2; p<0,05) mmHg. Zusätzlich Besserung des zur Aufnahme bestehenden Gewichtsverlustes von 52 (247)g unter Geburtsgewicht auf eine Zunahme von 26,3 (7) Gramm pro Tag bei Entlassung.

Schlussfolgerung: Diese ersten Ergebnisse einer Evaluationsstudie deuten eine Wirksamkeit des hier skizzierten Therapiekonzeptes in der Verbesserung der schlafbezogenen Atmungsstörung bei Patienten mit PRS an. Dieses scheint Vorteile gegenüber anderen, vor allem chirurgischen Maßnahmen zu bieten.