Z Geburtshilfe Neonatol 2004; 208 - 2
DOI: 10.1055/s-2004-829207

Welche Überlebenschancen haben extrem unreife Frühgeborene mit Apgar 1 nach Minute 1?

J Hempelmann 1, O Genzel-Boroviczény 1
  • 1Neonatologie der Universitätskinderklinik an der I. Frauenklinik des Klinikums der Universität München-Innenstadt (München, Deutschland)

Fragestellung: Hat eine Reanimation eines leblosen, bradykarden, extrem unreifen Frühgeborenen (FG) Aussichten auf Erfolg?

Methode: Wir haben die Mortalität aller zwischen 1.1. 1998 und 31.12. 2003 in den zwei Geburtshilfen der LMU geborenen und reanimierten Frühgeborenen mit einem Gestationsalter zwischen 23 und 26 vollendeten Wochen erhoben. Alle Werte werden als Median [95% CI] angegeben.

Ergebnisse: Die 237 FG wurden in 2 Gruppen unterteilt: G1 (n=29) Apgar=1 bei Minute 1, G2 (n=208) Apgar >1 bei Minute 1. Der Entbindungsmodus war bei beiden Gruppen gleich, aber die FG der Gruppe G1 wurden häufiger (93% vs. 77%, p=0,04) und früher intubiert (2 Minuten [2,3; 6,7 Minuten] vs. 5 Minuten [7,5; 10,6 Minuten] p=0,001).

Die Mortalität in Gruppe G1 war signifikant höher als in G2 (62% versus 17%; p<0,0001), wobei das Sterbealter nicht signifikant unterschiedlich war (G1: 3,5 Tage [CI: 1; 30]; G2: 6 Tage [CI: 6; 44] p=0,13).

Die FG der Gruppe G1 hatten ein signifikant niedrigeres Gestationsalter und Geburtsgewicht (Gest.Alter: 24 [23,9; 24,7] vs. 25 [24,7; 25,0] Wochen, p=0,008; Geb.Gew. 615g [579; 678g] vs. 700g [694; 752g] p=0,02). Die schlechten Apgarwerte der Gruppe G1 persistierten bis zur 10. Minute (5-Minuten Apgar: 3 [2,8; 4,0] vs. 8 [7,3; 7,8] p<0,0001; 10-Minuten Apgar: 5 [4,5; 6,3] vs. 8 [7,9; 8,4] p<0,0001). Die Gruppe G1 zeigte bereits im Nabelschnurblut eine signifikant ausgeprägtere metabolische Azidose (NS-BE: -6,5 [-11,5; -4,3] vs. -3 [-4,5; -3] p=0,0008), die sich bis zum Zeitpunkt der stationären Aufnahme weiter verschlechterte (Aufnahme-BE: –12[-14,1; -9,2] vs. –5[–6,5; –4,5] G1 vs. G2 p<0,0001; G1 NS-BE vs. G1 Aufn.-BE p=0,02).

Es erfolgte eine Subgruppenanalyse der Apgar=1 Gruppe für die 18 Verstorbenen (V) und die 11 Überlebenden (Ü).

Signifikante Unterschiede zwischen V und Ü waren: ein geringeres Geburtsgewicht (550g, [512; 639g] vs. 705g [651; 748g] p=0,0055), ein niedrigerer 10-Minuten-Apgar (5 [4; 6] vs. 8 [5; 8] p=0,015), niedrigere Nabelschnur- und Aufnahme- BE -Werte (NS –11 [–15,8; –6,6], vs. -6 [–9,3; –1,8] p=0,03, Aufn.: –13 [–16,58; –10,6] vs. –8 [–10,2; –5,5] p=0,006) und eine geringere Temperatur bei Aufnahme auf die Intensivstation (35,8°C [35,6; 36,4°C] vs. 37.0°C [36,5; 37,6°C] p=0,001).

Schlussfolgerung: Bradykarde, leblose, extrem unreife Frühgeborene haben auch bei erfolgreicher Reanimation im Kreissaal immer noch eine sehr hohe Mortalität. Der Apgar nach Minute 1 ist ein aussagekräftiger Prognosefaktor für die Mortalität bei Frühgeborenen zwischen 23 und 26 vollendeten Gestationswochen und kann als Entscheidungshilfe bei der Reanimation hinzugezogen werden.