Klin Monbl Augenheilkd 2004; 221 - KV14
DOI: 10.1055/s-2004-828724

Intumescente Katarakt als Initialsymptom eines Typ-I Diabetes mellitus

L Nitsche 1, U Weber 1
  • 1Augenklinik im Klinikum Braunschweig gGmbH

Hintergrund: Der Diabetes mellitus ist ein polyätiologisches Syndrom, verursacht durch einen absoluten oder relativen Insulinmangel. Hierdurch entsteht eine Störung der zellulären Glukoseaufnahme, was letztlich eine vermehrte Bildung von Acetessigsäure, eine verminderte Bildung von ATP und renale Kationenverluste bedingt. Somit entstehen neben einer Ketoacidose auch ein Energie- und Elektrolytmangel.

Kasuistik: Eine 18-jährige Patientin präsentierte sich mit einer schnell eingetretenen Visusminderung auf 0,05 OD und 0,1 OS. Anamnestisch wurde über die inzwischen beendete Einnahme verschiedener Anthelmintika berichtet. Biomikroskopisch zeigte sich eine beidseitige intumescente Katarakt mit weißen Trübungszonen und dazwischen liegenden kleineren Wasserspalten und großen lamellären Zerklüftungen. Bei der Narkosevorbereitung für eine beidseitige Kataraktoperation wurde ein Blutzuckerwert von 600mg/dl gefunden und daraufhin eine Stoffwechseloptimierung veranlasst. Aufgrund der Beobachtung, dass diabetische Katarakte reversibel sein können und der daraus resultierenden Empfehlung, den Operationszeitpunkt hinauszuschieben, wurde nach Blutzuckereinstellung drei Monate abgewartet. Da keine Befundbesserung eintrat und der Zustand auch unter psychologischen Aspekten nicht mehr haltbar war, wurde eine beidseitige Linsenabsaugung mit Kapselsackimplantation einer IOL durchgeführt.

Ergebnisse: Der Visus besserte sich unmittelbar postoperativ auf 1,0 bds. bei reizfreien vorderen Augenabschnitten. Der Fundus zeigte keine diabetischen Veränderungen.

Schlussfolgerungen: Bei hohen Schwankungen der Blutzuckerwerte kann es zur spontanen Bildung einer intumescenten Katarakt kommen, die im vorliegenden Fall eines Typ-I Diabetes mellitus das Initialsymptom bildet. Ursächlich wurde eine starke Änderung der Elektrolytverteilung insbesondere im Bereich der hinteren Linsenkapsel mit entsprechenden Permeabilitätsveränderungen und Wassereinstrom in die Linse angenommen (Pau1). Bei spaltoptisch erkennbaren gröberen Strukturveränderungen der Linse kann u. E. unter heutigen optimierten Operationsbedingungen der Operationszeitpunkt nach Abwägung individueller Gegebenheiten vorverlegt werden.

Literatur: (1) Pau H: Differentialdiagnose der Augenerkrankungen. Georg Thieme Verlag, Stuttgart – New York 1986, p 303