ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2004; 113(4): 168-169
DOI: 10.1055/s-2004-825647
Recht

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Abrechnungsbetrug wegen unechter Gemeinschaftspraxis - Verträge unbedingt auf Scheinselbstständigkeit überprüfen!

Thomas Schlegel, Carsten M. Faller
  • MedizinRecht.de GmbH
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Publication Date:
04 May 2004 (online)

Für viele Ärzte wird die Gemeinschaftspraxis eine immer beliebtere Praxisform, doch in vielen Verträgen finden sich böse Fallen. Neben dem künftigen Honorarzuschlag für Gemeinschaftspraxen gibt es derzeit viele Gründe, dass sich Ärzte in dieser Form zusammenschließen. Einer davon ist der Aufbau eines Praxisnachfolgers. Doch hier schlummern oft unerkannte Gefahren in manchen Gemeinschaftspraxisverträgen. So kann ein fehlerhafter Gemeinschaftspraxisvertrag sich als ein verdecktes Angestelltenverhältnis erweisen. Für die beteiligten Ärzte hat dies gravierende und gegebenenfalls existenzbedrohende steuerliche, zivil-, berufs-, sozial- und strafrechtliche Konsequenzen.

Zivilrechtlich ist zwar selten der gesamte Vertrag unwirksam. Eher sind es einzelne Klauseln, die beispielsweise die Gesellschafterstellung des de facto angestellten Arztes beseitigen.

Sollten die Finanzbehörden den Vertrag als Anstellungsvertrag auffassen, dann muss der vermeintliche Partner als Arbeitgeber bis zu 4 Jahre rückwirkend Lohnsteuer nachzahlen. Damit verliert der de facto angestellte Arzt auch rückwirkend die Abschreibungspotenziale eines Selbstständigen, hier drohen ihm hohe Rückzahlungen. Noch erheblicher sind die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen, denn hier kann der verdeckte Arbeitgeber noch bis zu 30 Jahre zur Nachzahlung der Sozialversicherungsbeiträge zur Kasse gebeten werden.

Darüber hinaus kann gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ein Abrechnungsbetrug durch Erschleichung eines zu hohen Abrechnungsvolumens vorliegen, da die Gemeinschaftspraxis ein höheres Volumen abrechnet als ein Einzelarzt mit einem angestellten Arzt. Auch dies führt zur Rückforderung von Honoraren für die Zeit des Bestehens der falschen Gemeinschaftspraxis, rückwirkend bis zu 4 Jahre.

Daneben droht auch die Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wegen Abrechnungsbetrugs. Zu einer Verurteilung müssen die Beteiligten aber vorsätzlich gehandelt haben. Dies ist z. B. schon dann der Fall, wenn den Beteiligten die Unzulässigkeit der Vertragsgestaltung bekannt war.

Im Übrigen sind auch noch berufsrechtliche Konsequenzen zu bedenken, wenn gegen den Grundsatz der Kollegialität verstoßen oder keine angemessene Vergütung (Honorar) gezahlt wurde.

Wichtige Eckpunkte im Vertrag zur Vermeidung der Scheinselbstständigkeit: Die Risiken lassen sich nur vermeiden, wenn die Kooperationsverträge zumindest im Kern noch den gesellschaftsrechtlichen Status des Schwächeren oder „Juniors” gewährleisten. Jeder einzelne Arzt muss frei und selbstständig in der Praxis tätig sein.

Wie aber kann geklärt werden, ob eine zulässige Vertragsgestaltung oder eine Scheinselbstständigkeit mit möglichen Konsequenzen vorliegt? Die Regelung über die Scheinselbstständigkeit, die erst 1999 unter großer öffentlicher Diskussion eingeführt wurde, ist Ende 2002 sang- und klanglos gestrichen worden. Die dort aufgestellten Kriterien können aber von den Behörden weiterhin herangezogen werden. Hierbei handelt es sich um eine Vermutungsregelung, auf die Behörden erst dann zurückgreifen, wenn sich die Beteiligten nicht aktiv um Aufklärung bemühen.

Dabei kommt es maßgeblich auf den Grad der persönlichen Abhängigkeit an, da dieser das Arbeitsverhältnis bestimmt.

Die „neuralgischen” Punkte im Gemeinschaftspraxisvertrag, bei denen ein Arbeitnehmerverhältnis anzunehmen ist, liegen vor, wenn:

keine Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsbefugnis besteht, keine Beteiligungen an Arbeitgeberentscheidungen erfolgt, der Arzt kein Direktionsrecht im Praxisbetrieb hat, der Arzt dem Vertragspartner seine gesamte Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat, ihm Arbeitszeit und -gebiet vorgeschrieben werden und die Berechtigung zur Nebentätigkeit einseitig beschränkt wird.

Eine Kumulation dieser Merkmale führt zum Arbeitnehmerverhältnis.

Im Rahmen eines Rechtsstreits trägt der beherrschende Gesellschafter die Beweislast dafür, dass kein verdecktes Arbeitsverhältnis vorliegt. Insofern sind insbesondere die Regelungen zur Geschäftsführung, zur Vermögensbeteiligung, zur Gewinn- und Verlustbeteiligung, zum Arbeitgeberstatus und zur Abfindung beim Ausscheiden zu beachten.

Das neue Buch des Medizinrechtlers Jörg Hohmann zum Gemeinschaftspraxisvertrag für Ärzte (Teil 2) bietet eine umfassende Gestaltungshilfe solcher Gemeinschaftspraxisverträge. Dabei wird insbesondere der Einstieg des „kapitallosen” Juniorpartners berücksichtigt.

Die Musterverträge behandeln alle notwendigen Konstellationen zur Vermeidung eines verdeckten Angestelltenverhältnisses.

Der Gemeinschaftspraxisvertrag für Ärzte Teil 1 - Gründung einer Gemeinschaftspraxis unter gleichberechtigten Partnern mit umfangreichen rechtlichen und steuerlichen Erläuterungen. Frankfurt: MedizinRecht.de Verlag, Oktober 2003, 100 S., Brosch., € 32,80, ISBN 3-936844-02-X, Link: www.medizinrecht.de/ cgi-bin/bookstore.pl?sid=&a=sd& artid=405

Der Gemeinschaftspraxisvertrag für Ärzte Teil 2 - Der Einstieg des „Junior-Arztes” in die Gemeinschaftspraxis mit umfangreichen rechtlichen und steuerlichen Erläuterungen. Frankfurt: MedizinRecht. de Verlag, Februar 2004, 108 S., Brosch., € 32,80, ISBN 3-936844-04-6, Link: www.medizinrecht.de/cgi-bin/bookstore.pl?sid=&a=sd&artid= 386

Weitere Publikationen finden Sie im Internet unter: www.Frankfurter-Mustervertraege.de, www.Frankfurter-Schriften.de, www.MedizinRecht.de

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