Gesundheitswesen 2004; 66 - 66
DOI: 10.1055/s-2004-825207

Tuberkulose und Migration: Tuberkulosemeldungen aus Baden-Württemberg

C Dreweck 1
  • 1Landesgesundheitsamt Baden-Württemberg, Stuttgart

Der Tuberkulosestatistik stehen mit dem Infektionsschutzgesetz epidemiologisch relevante und auf europäischer Ebene standardisierte Informationen zur Verfügung. Es wird deutlich, dass die Migration einen zunehmenden Einfluss auf die Tuberkulosesituation in Deutschland hat. Baden-Württemberg gehört zu den Ländern mit den höchsten Zuzugszahlen und hat einen Anteil der ausländischen Bevölkerung von rund 12 Prozent. Die Tuberkulosekranken stammen aus 70 verschiedenen Herkunftsländern, nur jeder zweite ist in Deutschland geboren. Die Erkrankten unter den Zuwanderern sind im Schnitt jünger als die einheimischen Tuberkulosefälle. Besonders bedeutungsvoll für die Migration aus Hochprävalenzländern der Tuberkulose sind Spätaussiedler. Seit 1990 sind mehr als zwei Millionen Spätaussiedler nach Deutschland zugewandert. Unter den Tuberkulosekranken in Baden-Württemberg stammt die größte Gruppe der Zuwanderer aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion (GUS), gefolgt von Zuwanderern aus der Türkei und aus Ländern des ehemaligen Jugoslawien. Ein weltweit besorgniserregendes Gesundheitsproblem stellen mehrfachresistente Tuberkuloseerreger dar. In Baden-Württemberg ist bei Patienten mit multiresistenter (MDR) Tuberkulose der Anteil der Zuwanderer aus den GUS besonders hoch. Rund 80 Prozent der seit 2001 gemeldeten MDR-Fällen sind in den GUS geboren, bei fast allen MDR-Fällen liegt zusätzlich eine Resistenz gegen Streptomycin vor. Die Kenntnis der Resistenzlage nach dem Geburtsland ist von großer praktischer Bedeutung für die Wahl der Initialtherapie. Zunehmende Aufmerksamkeit erfordert auch der Zuzug aus den Beitrittsländern der EU, weil in vielen mittel- und osteuropäischen Ländern die Tuberkulose noch wesentlich häufiger ist als in Deutschland. Zwischen 1993 und 2001 sind über eine Million Personen aus diesen Ländern nach Deutschland zugezogen. Die Spitzenposition unter diesen Ländern besitzt Polen. Eine weitere Zielgruppe für die Tuberkulosefürsorge sind ausländische Studenten. Die größte Gruppe unter den sogenannten Bildungsausländern bilden derzeit Studierende mit chinesischer Staatsangehörigkeit. Die Zahl der Studienanfänger aus China hat sich von 1999 bis 2002 mehr als verdreifacht. Ebenfalls stark gestiegen ist die Zahl der Studienanfänger aus den osteuropäischen Staaten und aus Indien. Die Zahlen aus dem Migrationsgeschehen spiegeln sich in den Tuberkulosemeldungen aus Baden-Württemberg wieder. Die aktive Surveillance der Tuberkulose durch den öffentlichen Gesundheitsdienst ist eine wesentliche Grundlage, um effektive Präventions- und Bekämpfungsmaßnahmen sicherzustellen.