Gesundheitswesen 2004; 66 - 64
DOI: 10.1055/s-2004-825205

Meningitis- und Enzephalitisregister in Niedersachsen (MERIN): Erfahrungen und erste Ergebnisse der Pilotphase

K Beyrer 1, A Baillot 1, R Heckler 1, M Monazahian 1, H Scharlach 1, M Pulz 1, A Windorfer 1
  • 1Niedersächsisches Landesgesundheitsamt, Hannover

Hintergrund: Mit Einführung des Infektionsschutzgesetzes im Januar 2001 entfiel die Meldepflicht für virale Meningitiden/Enzephalitiden sowie für viele der dabei relevanten Erreger. Da es sich bei viralen ZNS-Infektionen um Erkrankungen von gesundheitspolitischer Bedeutung handelt mit der Notwendigkeit von Ursachenforschung und Umgebungsuntersuchungen, erschien es von Interesse mehr Informationen über die Epidemiologie dieser Erkrankungen und deren Erregerspektrum zu bekommen. Es wird daher in Niedersachsen seit Januar 2003 eine Erfassung von aseptischen Meningitiden/Enzephalitiden (Projekt MERIN) durch das Niedersächsische Landesgesundheitsamt (NLGA) durchgeführt.

Vorgehen: Die Teilnahme der Kliniken am Projekt MERIN ist freiwillig. Für Patienten mit Verdacht auf eine akute virale ZNS-Infektion wird die virologische Diagnostik unentgeltlich durch das NLGA angeboten. Informationen zum klinischen Verlauf und zur Abschlussdiagnose werden mithilfe eines kurzen Follow-up Fragebogens erhoben. Die anonymisierten Informationen werden in aggregierter Form ausgewertet und zeitnah im Internet dargestellt (http://www.nlga.niedersachsen.de/merin). Auf diese Weise ist insbesondere für den ÖGD in Niedersachsen eine aktuelle Informationsquelle über das Auftreten dieser Erkrankungen und die vorherrschenden Erreger verfügbar.

Ergebnisse: Im Jahr 2003 (Pilotphase) nahmen 32 niedersächsische Kliniken (15 Kinderkliniken, 13 neurologische Kliniken, 4 internistische Abteilungen) an MERIN teil. Insgesamt gingen dabei Proben zu 277 Patienten ein. Bei 94 Patienten konnte mit hinreichender diagnostischer Sicherheit ein Erreger bestimmt werden. In 54 Fällen handelte es sich um Enteroviren, die in 26 Fällen noch weiter typisiert werden konnten. Knapp 75% der Fälle traten bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis 14 Jahre auf.

Ausblick: Die bisherigen Ergebnisse aus MERIN zeigen, dass seitens der Ärzteschaft großes Interesse an dem Projekt besteht und eine aussagekräftige Datenbasis aufgebaut werden kann. Weitere Werkzeuge zur Erkennung epidemiologischer Zusammenhänge bei lokalen oder überregionalen Erkrankungshäufungen müssen noch implementiert werden. Die Erkenntnisse aus MERIN sind auch für das nationale Projekt Polioeradikation, das ebenfalls am NLGA angesiedelt ist, von großer Bedeutung, da die Erfassung der Enterovirus-Nachweise bei serösen Meningitiden/ Enzephalitiden als Modell für ein Überwachungssystem der Poliomyelitis in Deutschland angesehen werden und die unzureichend umsetzbare AFP-Surveillance (akute schlaffe Lähmungen) schließlich ersetzen kann.