Gesundheitswesen 2004; 66 - 39
DOI: 10.1055/s-2004-825080

Medienverhalten und soziales Umfeld bei den ABC-Schützen in Mannheim 2003: Zusammenhang mit Sprache, Motorik und Bodymass-Index

P Schäfer 1, P Grün-Nolz 1, A Felder-Kennel 1, M Frickel 1, U Wentzensen 1, K Wolff 1, H Schöler 2, J Roos 2, H Engler-Thümmel 1
  • 1Fachbereich Gesundheit der Stadt Mannheim, Mannheim
  • 2Pädagogische Hochschule, Heidelberg

Einleitung: Die Erkenntnis, dass soziale Herkunft und der Umgang mit Medien wesentlich die vorschulische Entwicklung von Kindern beeinflussen, ist nicht neu. Allerdings ist die Gewinnung verlässlicher Daten hierzu auf regionaler Ebene oftmals schwierig.

Methodik und Probanden: Die Schuleingangsuntersuchung (SEU) wird in Mannheim flächendeckend mit weitgehender Standardisierung der einzelnen Untersuchungselemente und der Möglichkeit einer regionalen Gesundheitsberichterstattung durchgeführt. Alle Eltern wurden bzgl. der Häufigkeit des häuslichen Vorlesens befragt. Zusätzlich wurde die Frage nach einem Fernseher im Kinderzimmer sowie nach dem täglichen Fernsehkonsum gestellt. Unter Beachtung des Datenschutzes wurden im Anschluss an die SEU auf freiwilliger Basis durch die Ärztin/Arzt Angaben zum sozialen Umfeld der Eltern (Migrationshintergrund, Schul- und Berufsausbildung, Erwerbstätigkeit, alleinstehend) erbeten. Die gute Akzeptanz des Vorgehens spiegelt sich darin wieder, dass z.B. für 92% der Kinder ein kompletter Datensatz zur Bildung des Brandenburger-Sozialindex vorliegt. Insgesamt wurden 2859 Kinder (49,7% Mädchen, 50,3% Jungen) zur SEU gesehen. 68,3% der Kinder waren deutscher Familiensprache, unter den Migrantenkindern war türkisch mit 16,1% die häufigste Sprache. 46,7% der Mannheimer Kinder wachsen zweisprachig auf.

Ergebnisse: Bei 21,3% der Kinder steht ein Fernseher im Kinderzimmer. Bei Migrantenkindern (31,5%) bzw. in schwachen sozialen Schichten (28,9%) steigt diese Zahl noch deutlich an. Dies gilt auch für die Dauer des täglichen Fernsehens. In Abhängigkeit von der Familiensprache (dt. 9,8%, nicht-dt. 36,2%) bzw. vom Sozialstatus (gehoben 5,5%, niedrig 26,6%) variiert die Zahl der Kinder, die nach Elternangaben täglich mehr als zwei Stunden vor dem Fernseher verbringen. Für den eigenen PC (13,5%) und den PC-Konsum wurden die Angaben analog erhoben. Die Parameter Familiensprache und Sozialstatus beeinflussen auch die Häufigkeit des Vorlesens. Während 41,3% der Migrantenkinder nie oder höchstens zweimal im Monat vorgelesen bekommen, beträgt diese Rate für Kinder mit deutscher Familiensprache 14,9%. In sozial gehobenen Schichten wird bei 74,6% fast täglich vorgelesen, hingegen nur in 23,1% der sozial schwachen Familien. Diese Zahlen werden in Bezug zu den sprachlichen Leistungen (Wortschatz, HASE), den motorischen Fertigkeiten und den Bodymass-Index (BMI) gesetzt und im Detail vorgestellt. Dabei zeigt sich ein signifikanter Einfluss des Vorlesens und der Dauer des Fernsehkonsums auf die sprachlichen und motorischen Fertigkeiten der Kinder. Der eigene Fernseher als solches ist kein Risikofaktor.

Folgerungen: Die vorliegenden Zahlen liefern wichtige Grundlagen für eine zielgerichtete Gesundheitsförderung. Grundsätzlich ist beim Erfragen von Angaben zum Medienverhalten und zum sozialen Umfeld immer der Aspekt der sozial erwünschten Antwort zu berücksichtigen. Dieser kann zum sog. „under reporting“ führen. Allerdings scheint hier der in Mannheim gewählte Weg günstig, dass diese Fragen von ärztlicher Seite vertraulich gestellt wurden. Dies lässt sich an der guten Compliance der Eltern ablesen. Dies ist beim Vergleich der Daten zwischen verschieden Kommunen oder Landkreisen stets zu berücksichtigen.