Gesundheitswesen 2004; 66 - 14
DOI: 10.1055/s-2004-825055

Prävention invasiver Meningokokken-Infektionen

I Ehrhard 1
  • 1Landesuntersuchungsanstalt für das Gesundheits- und Veterinärwesen Sachsen, Dresden

Enge Kontaktpersonen eines Meningokokken-Patienten haben ein erhöhtes Risiko, ebenfalls eine Meningokokken-Erkrankung zu erleiden. In der ersten Woche nach Auftreten des Indexfalles ist das Risiko für Sekundärerkrankungen am höchsten. Laut Literatur treten 70% der Sekundärerkrankungen in diesem Zeitraum auf. Unter den Haushaltsmitgliedern der Patienten, die die Personengruppe mit dem höchsten Risiko für Sekundärerkrankungen darstellen, liegt das relative Risiko in der Woche nach Auftreten des Indexfalles bei ca. 1000 und zwischen 7 und 30 Tagen bei ca. 150.

Durch Verabreichung einer Chemoprophylaxe an enge Kontaktpersonen soll das erhöhte Erkrankungsrisiko reduziert werden. Chemoprophylaktisch sollten daher behandelt werden: alle Haushaltsmitglieder des Patienten; alle Personen, die mit den oropharyngealen Sekreten des Patienten in Berührung kamen (z.B. Intimpartner, enge Freunde, medizinisches Personal z.B. bei Mund-zu-Mund-Beatmung, bei Intubation und Absaugen und/oder intensiver Inspektion des Nasenrachenraumes des Patienten ohne Mund-/Nasenschutz); Kontakt-personen in Gemeinschaftseinrichtungen mit haushaltsähnlichem Charakter (z.B. Internaten, Wohnheimen, Kasernenstuben etc.) und Kontaktpersonen in Kindereinrichtungen mit Kindern unter 6 Jahren (bei guter Gruppentrennung nur die entsprechende Gruppe).

Wirksame Chemoprophylaktika sind: Rifampicin (Dosierung: Kinder jünger als 1 Monat:

10mg/kg KG/Tag p.o. in 2 ED 2 Tage lang; Kinder von 1 Monat bis 12 Jahre: 20mg/kg KG/Tag p.o. in 2 ED 2 Tage lang, Kinder über 12 Jahre und Erwachsene: 1200mg/Tag p.o. in 2 ED für 2 Tage), Ciprofloxacin (Erwachsene: 1×500mg p.o.) und Ceftriaxon (=Mittel der Wahl in der Schwangerschaft, Erwachsene: 1×250mg i.m., Kinder: 1×125mg i.m.).

Mit der Chemoprophylaxe sollte schnellstmöglich begonnen werden. Sinnvoll erscheint die Verabreichung bis zum 10. Tag nach dem letzten Kontakt mit dem Patienten. Auch der Indexfall sollte, wenn er mit Penicillin therapiert wurde, chemoprophylaktisch behandelt werden.

Neben der Chemoprophylaxe kann bei Ausbrüchen oder regionalen Häufungen auf Empfehlung der Gesundheitsbehörden eine Meningokokken-Impfung indiziert sein. Polysaccharid-Impfstoffe gegen die Serogruppen A, C, Y und W135 stehen zur Verfügung. Gegen die Serogruppe C sind Konjugat-Impfstoffe erhältlich, die auch bei Kindern unter 2 Jahren zu einem Immunschutz führen. Geimpft werden sollten (STIKO-Empfehlungen Juli 2003) gesundheitlich Gefährdete wie Personen mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten mit T- und/oder B-zellulärer Restfunktion, insbesondere Komplementdefekte (Erkrankungsrisiko 10000 fach erhöht), Properdindefekte, Hypogammglobulinämie und Asplenie. Als Reiseimpfung wird die Vakzination gegen Meningokokken Reisenden empfohlen, die epidemische/hyperendemische Länder besuchen und dort engen Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung haben, die sich in Regionen mit Krankheitsausbrüchen und Impfempfehlung für die einheimische Bevölkerung aufhalten, die eine Pilgerreise (Hadj) machen und die als Schüler/Studenten einen Langzeitaufenthalt in Ländern mit empfohlener allgemeiner Impfung für Jugendliche oder selektiver Impfung für Schüler/Studenten planen. Auch gefährdetes Laborpersonal (Arbeiten mit N. meningitidis-Aerosol) sollte durch eine Meningokokken-Impfung geschützt werden.

In Sachsen wurde darüber hinaus im Juli 2003 die Meningokokken-C-Impfung mit konjugiertem Impfstoff aller Kinder ab 3. Lebensmonat bis zum 18. Lebensjahr als Standardimpfung in die Impfempfehlungen der SIKO aufgenommen. Des weiteren wird – neben der Chemoprophylaxe – die Impfung der engen Kontaktpersonen eines Meningokokken-Patienten empfohlen, der an einem Serogruppe C-Stamm erkrankt ist.