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DOI: 10.1055/s-2004-822079
Autodestruktive Syndrome und delegierte Selbstschädigung bei Frauen – Funktionen, Vorkommen und Therapie
Autodestruktive Syndrome sowie delegierte Selbstschädigung finden in den gängigen diagnostischen Klassifikationssystemen (ICD-10, DSM-IV TR) Berücksichtigung als eigenständige Kategorie („artifizielle Störung“), als diagnostisches Kriterium einer anderen Störung (v.a. „emotional instabile Persönlichkeitsstörung“) oder als Zusatzkodierung (Z-Kodierungen für vorsätzliche Selbstschädigung in der ICD). Die empirischen Erkenntnisse zum Vorkommen der einzelnen Typen des Störungsspektrums sind bislang recht begrenzt. Ausgewertet wurde eine Recherche einschlägiger Datenbanken und eine Sichtung der Primärliteratur. Insgesamt ergab sich eine Fundmenge von 18 empirische Studien. Die Studien wurden systematisiert nach: Thema, Art des Settings und der Stichprobe, diagnostische Einheit, Vorliegen von Verlaufs- und soziodemographischen Daten, Art der Selbstschädigung bzw. der Behandlungsmanipulation, psychosoziale Komorbidität und Angaben zur Prävalenz. Sämtliche Studien rekurrieren auf ein klinisches Setting. Es finden sich keine Bevölkerungsstichproben. Im gewichteten Mittelwert über alle Studien ergibt sich eine Prävalenzrate von 0,9%. Frauen überwiegen in einem Verhältnis von 2:1; das durchschnittliche Alter liegt bei 31,5 Jahren; anders beim Münchhausen-Syndrom: hier findet sich ein umgekehrtes Geschlechterverhältnis bei einem Durchschnittsalter von 37 Jahren. Verlaufsdaten finden sich nur beschränkt auf die Anzahl autodestruktiver Handlungen. Es findet sich eine Vielzahl von Co-Diagnosen, wobei Persönlichkeitsstörungen (65,1%) und Abhängigkeiten bzw. Substanzmissbrauch (33,8%) für direkt wie indirekt autodestruktives Verhalten charakteristisch zu sein scheinen. Diskutiert werden klassifikatorische und diagnostische Probleme, die empirische Untersuchungen erschweren, sowie neueste Ansätze zu Funktionen und therapeutischen Ansätzen autodestruktiver Syndrome.