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DOI: 10.1055/s-2004-822050
Abruptio nach Sterilitätsbehandlung: Für alle bedrückend
Etwa 50% aller Schwangerschaften sind ursprünglich nicht geplant, aber dann willkommen. Aber auch die Planung einer SS stellt nicht unbedingt sicher, dass das Kind akzeptiert und angenommen wird. So kann nach lange unerfülltem Kinderwunsch und schließlich erfolgreicher Fertilitätsbehandlung bei manchen Paaren der Wunsch nach einer Abruptio auftauchen.
In Deutschland wurden im Jahre 2000 insgesamt 134.000 Abruptiones durchgeführt. Im Gegensatz dazu stehen etwa 800.000 Lebendgeburten, so dass im Jahr 1999 auf 170 Abruptiones 1000 Lebendgeburten kamen. Das Verhältnis Abruptio zur Lebendgeburt ist daher ungefähr 1:7. Nach IVF Behandlung entstehen in Deutschland etwa 8.000 Schwangerschaften, die als Geburt enden. Man schätzt, dass weniger als jede 100. Schwangerschaft nach Fertilitätsbehandlung als Abruptio beendet wird.
Wir berichten über eine Patientin, die im Alter von 34 Jahren nach IVF/ICSI im 3. Versuch schwanger geworden war und ein Kind bekam.
Im Alter von 39 Jahren wollte sie eine zweite Schwangerschaft, so dass wiederum die IVF/ICSI Methode in Betracht kam. Hier wurde sie im ersten Versuch schwanger. Sie hatte in den Embryotransfer von drei Embryonen eingewilligt. Es entstand eine Zwillingsschwangerschaft. Bereits bei den ersten Ultraschallkontrollen wurde deutlich, dass keinerlei Freude aufkam und die Patientin extreme Ambivalenzgefühle ausdrückte: Auf der einen Seite wollte sie ein zweites Kind. Die Möglichkeit einer Zwillingsschwangerschaft hatte sie trotz rationaler Auseinandersetzung innerlich nicht nachvollzogen. Akut wurde sie durch die Zwillingsschwangerschaft in eine Belastungssituation gedrängt.
Es fanden mehrere Schwangerschaftskonfliktberatungen, Gespräche mit dem betreuenden Gynäkologen und mit der Psychiaterin statt. Die Gefühle der Patientin waren gekennzeichnet durch Überforderung (gegenüber Schwangerschaft, Geburt und Kinderbetreuung), aktueller Depression (bezüglich der Entscheidungslage) und Schamgefühlen gegenüber betreuenden Ärzten.
Schließlich entschließt sich die Patientin zur Abruptio beider Schwangerschaften. Sie sagt, dass es ihr unmöglich wäre, einen Fetozid durchzuführen, weil sie dann im Angesicht des lebenden Zwillings an den toten (abgebrochenen) Zwilling denken müßte. Die aktuelle Gefühlswelt ist stark geprägt durch Schuldgefühle gegenüber den betreuenden Ärzten.
Dieser Fall zeigt, dass auch nach der Erfahrung einer IVF/ICSI Schwangerschaft bei der Einleitung einer zweiten Schwangerschaft mit dieser Methode (trotz adäquater Beratung und Betreuung), die Gefühle der Ambivalenz so übermächtig werden können, dass ein Abbruch die (scheinbar) einzige Lösung darstellt.